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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Auf der Suche nach den verschwundenen Miniatur-Möbeln von Bodo Hennig
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Sein Sohn Florian, zu Beginn der 2000er Jahre Assistent der Geschäftsführung, verwies einer lokalen Zeitung gegenüber auf die allgemeine und zwar schlechte Lage am Spielzeugmarkt. Allerdings habe man auch am Bedarf der Kinder vorbeiproduziert: „Die Buben und Mädchen wollen heute anderes Spielzeug als früher“, gestand er ein. Heute vertreibt Florian Hennig selbst nic-Spielwaren. „Holzspielzeug liegt im Trend!“, wirbt er. Es ist vor allem das Spielzeug für die Kleinsten, das in Holz im Trend liegt. Natürlichkeit, Schadstoff-Freiheit, Bio-Zertifikat und Regionalität scheinen bei Eltern gerade dann hoch im Kurs zu stehen, wenn das Spielwerk beim Sprössling schnell mal im Mund landet. So gibt es bei nic-Spielwaren Schnullerketten, Rasselbäumchen und Bauklötzchen aus Holz, für Kleinkinder auch Schaukelpferd und Puppenwagen. Doch die filigranen Miniatur-Modelle für die Puppenstube für die motorisch geübteren Kinder und Sammelbegeisterte, die gibt es nicht mehr.
Zwar hatte nic die alten Bodo-Hennig-Möbel zunächst noch in seinen eigenen Katalogen beworben, deren Produktion Anfang der 2020er Jahre dann aber endgültig eingestellt. 225 Exponate schenkte Bodo Hennig drei Jahre vor seinem Tod seinem Geburtsort Borstendorf. Es heißt, Hennig habe es zuvor an vielen Stellen und auch bei anderen Gemeinden versucht. Damals aber habe keine andere Gemeinde oder Firma seine Prototypen haben und ausstellen wollen. Nur Borstendorf habe den kleinen Zeitzeugnissen Obdach gegeben. 2011 wurden sie im Erzgebirge erstmals in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Mittlerweile hat der Bezirk Schwaben die Exponate in die eigene Sammlung dokumentierter Alltagskultur aufgenommen. Die „Wohntrends in Miniatur“ zeigt er nun in einer eigenen Ausstellung. Noch bis zum 13. Oktober 2024 kann man sie im Museum Oberschönenfeld bestaunen.
Der Karton vom Dachboden liegt inzwischen inhaltslos neben mir. Während vor mir eine kleine Spielzeugwelt entstanden ist – die Nachttischchen mussten natürlich neben dem Bett stehen, der Spiegel auf der Kommode und das winzige Bowle-Set im repräsentativen Wohnzimmerschrank – frage ich mich, was in den Kinderzimmern den Platz der verlorenen kleinen Welt eingenommen hat. „Natürlich“, entfährt es mir innerlich. Ich denke an „Die Sims“. Zeitlich passt das genau. Die digitale Puppenstube flutete ab 2000 die Computerspielewelt. Die jungen Spielerinnen und Spieler konnten sich am Bildschirm nicht nur Häuser einrichten. Sie konnten Mobiliar selbst entwerfen und ihre Modelle im Netz tauschen. Dann fällt mir auch mein Patenkind ein. Als ich ihm mein Puppenhaus schenken wollte, erkannte der Architekten-Papa zwar sofort die astreine Glanzleistung eines Architekturmodells, doch seine Tochter würdigte das Holzhaus kaum eines Blicks. Wenig später bekam die Kleine ein Playmobil-Schloss geschenkt. Sofort Feuer und Flamme vertiefte sie sich ins Spiel mit den Plastikfigürchen. Mir bestätigt sich: „Die Buben und Mädchen wollen heute anderes Spielzeug als früher.“
Während ich das Atlantis der Vergangenheit vor mir würdige – ein Sessel passt gemütlich in eine offen gehaltene Hand – und während ich mir das Lebenswerk Bodo Hennigs vergegenwärtige, wie mit ihm eine kleine Welt in die Welt kam und auch mit ihm wieder ging, da spüre ich, wie passend seine Familie doch das Zitat auf seiner Traueranzeige gewählt hat. Es ist ein Satz aus Hermann Hesses „Konzertpause“ von 1947, der zart die Dachzeile ziert:
Das Schöne zieht einen Teil seines Zaubers aus der Vergänglichkeit.
sophie in Kunstkultur am 13.04.2024 um 10.43 Uhr
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