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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
So hängen Dialekt und Kultur zusammen
Wer in Deutschland schon oft seine Wohnorte gewechselt hat und nicht nur von Braunschweig nach Wolfsburg, von Fürstenfeld-Bruck nach Pasing oder von Leipzig nach Halle gezogen ist, wird zustimmen, dass die Völklein in unterschiedlichen Regionen verschiedene Verhaltensweisen und „Volkscharaktere“ an den Tag legen. Woran liegt das?
Schwaben: Fleiß, Ordnung und zu kurz gekommen
Schwaben etwa tragen nicht nur in Berlin den Ruf vor sich her, besonders ordnungsverliebt, strebsam und streitlustig zu sein. (Statistiken zeigen, dass in Baden-Württemberg die meisten Nachbarschaftsstreitigkeiten vorkommen.) Wer einmal im Großraum Stuttgart gelebt hat und nicht von dort stammt, stimmt oft zu, dass die Nachbarn verschlossen gegenüber Fremden waren, einem sämtliche Ordnungen und Vorschriften (auch ungesetzliche) vorgetragen haben und sich zudem in einer permanenten Abwehrhaltung, einem durchgängigen Angegriffenfühlen und Zukurzgekommensein befinden. Wer sich länger unter Schwaben aufhält, wird feststellen, dass sie auch untereinander so reden, als hätte man sie ihrer Rechte beraubt.
Es ist die Sprachmelodie, die jeden Satz weinerlich klingen lässt (und immer in einem Frageton endet) – egal ob es ein Vortrag, ein Streit oder eine normale Schilderung der Parksituation oder Kehrwochenregel ist. Zudem hören sich die Verben so an wie die hochdeutsche Möglichkeitsform. Der Einheitsplural endet auf „-et“, der Satz „Kommt, wir gehen, denn sie kommen!“, hört sich an: „Kommet, mer ganget, sî kommet!“ Als würde nie etwas wirklich werden. Halten wir fest: die Schwaben müssen sich nicht zu kurz gekommen fühlen, ihr Dialekt lässt sie so klingen.
Rheinfranken: Ruppige mit sanften Worten
Auf der Reise in den Nordwesten des Südweststaats, in den Norden Badens, treffen wir auf einen anderen Dialekt. Hier klingt eine Variante des Rheinfränkischen. Laien kennen das als „Hessisch“, etwa Martin Schneider spricht so, allerdings ist seine Langsamkeit untypisch. Von Aschaffenburg im Osten bis zum Hunsrück im Westen wird diese Gruppe von Mundarten gesprochen. Besondere Merkmale: Einheitsplural auf „-e“ (Beispiel das Verhalten am grünen Pfeil: „Schdobbe, gugge, fahre“). Dieser permanente Imperativ gesellt sich zur Sprachmelodie, die hoch anfängt und jeden Satz nach unten gehen lässt. Fragen klingen wie Ausrufe. Die schnelle Aussprache (Rheinfranken reden sehr viel und müssen viele Worte unterbringen) verleiht dem Dialekt zusätzlich eine Ruppigkeit, einen leichten Aufforderungston. Wer einen Menschen aus Nordbaden oder Frankfurt babbeln hört, weiß nicht so genau, wozu er einen auffordert. Das Gute aber ist: die weiche Aussprache sämtlicher Konsonanten – „p“ wird „b“, „t“ wird „d“, „k“ ist „g“, sogar das „ch“ wird zum „sch“ – macht die Sprache doch so sanft, dass sich die Aufforderung nicht nach Angriff anhört.
Uli in Lebenskunde am 26.05.2016 um 11.35 Uhr
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