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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Was für eine Rolle spielt es, ob ein Gemälde, das Menschen bewundern, echt oder falsch ist?

Original oder perfekte Fälschung


Bild: T.Urban
 (© Eckdose)

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Henkels Definition eines originalen Kunstwerks schließt dezidiert die „Entstehungsbedingungen eines Kunstwerks“ mit ein. Es bedürfe daher einer „authentischen Urheberschaft“. Der technisch gelungenen Fälschung entbehre dieser „künstlerischer Schaffensprozess“, der nur dem Original zukomme. Nun ließe sich zunächst die Rückfrage stellen:

Könnte die technisch gelungene Fälschung nicht auch einen künstlerischen Schaffensprozess aufweisen? Es wurde nicht selten die Ansicht verfochten, dass die Fähigkeiten eines Malers, der ein Meisterwerk für das Auge trügerisch mimt, künstlerisch grandios sein müssen. Denn er musste auch die stilistischen Einflüsse, die den Meister prägten, gewissermaßen für seine handwerkliche Kunst eigenständig rezipieren. Der junge Michelangelo wies seinen „schlafenden Amor“ als das Kunstwerk eines früheren Meisters der Antike aus. Um die Täuschung zu vervollkommnen, vergrub er seine Skulptur sogar. Gelang die Augentäuschung, dokumentierte sie die vollendete Meisterschaft des künstlerischen Handwerks. Ebenso wie die Phänomene der literarischen Pseudepigraphie in der Antike ist es kurzschlüssig, diese Phänomene moralisch zu diskreditieren. Sie konnten ergebenste Schülerschaft in der gedanklich autorisierten Nachfolge und Hochschätzung für den fingierten Verfasser bedeuten.

Die nachträgliche Identifikation als „Fälschung“ in der Unterscheidung von echt und falsch impliziert kein ästhetisches, sondern ein moralisches, juristisches und in der Folge auch ökonomisches Urteil. Etwas zu fälschen, scheint uns heute moralisch verwerflich. Eine „authentische Urheberschaft“ ist juristisch für den Urheberschutz und organisatorische Folgeprobleme von Belang; eine eindeutige Zuordnung wird verlangt. Aus ökonomischer Sicht gewährleistet die Einzigartigkeit des Originals eine Erwartungsverlässlichkeit auf dem Kunstmarkt. Wird diese Einzigartigkeit des Kunstwerks verletzt, treten Inflationseffekte auf, die den Markt nachhaltig irritieren könnten. Würde die Mona Lisa von Leonardo da Vinci ein zweites Mal auftauchen, käme das der gigantischen Einführung von Falschgeld in den Finanzstrom gleich. Ausgewiesene Kunstkenner, die das Kunstwerk mit dem Kunstmarkt vermitteln, messen einer entdeckten „Fälschung“ daher kaum noch künstlerischen, d.h. eigentlich ökonomischen Wert bei. Auf dem von Angebot und Nachfrage regulierten Kunstmarkt bedarf es der „Fälschung“, um die Stabilität des Marktes zu sichern. Eine zweite identische Mona Lisa würde zur Entwertung der Mona Lisa im Generellen führen. Für den Privatsammler oder in diesem Falle für den Louvre in Paris wäre das ein Desaster.

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T.Urban in Kunstkultur am 07.02.2011 um 02.15 Uhr

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Kommentare

Kommentar:

Was zeichnet den wahrhaften Künstler aus? Tatsächlich sein Name? Dann ist es kein wahrhafter. Zumal viele Künstler erst nach ihrem Tod Berühmtheit erlangten. Weshalb? Ihres Namens wegen? Kaum. Der Künstler blickt über das Sichtbare hinaus. Sieht mehr. Meinetwegen hat er mit Schleiermacher Sinn und Geschmack, vorausgesetzt Ästhetik hat seinen Ursprung irgendwo im Unendlichen. Was er macht ist pures Wahrnehmen. Und dann setzt er das Wahrgenommene um. Dann und nur dann nimmt der Betrachter wahr, was der Künstler selbst verspürt hat und das, was er da wahrnimmt, lässt sich nicht in Begriffe fassen. Würde man begreifen, würde man verendlichen. Wer aber verendlicht hat, hat die ästhetische Empfindung verlassen. Mit Paul Cézanne gesprochen: Bilder kann man nicht begreifen, gar beschreiben. Man kann nur vor ihnen stehen und glotzen wie ein Hund.
Und da frage ich mich, ob ein geübtes Abmalen und Durchpausen tatsächlich eine Genialität nachahmen kann.

sophie am 07.02.2011 um 21.29 Uhr.


Kommentar:

Ein "geübtes Abmalen und Durchpausen" kann tatsächlich keine Genialität nachahmen. "Genialität" ist ein wunderschöner Ausdruck, der seinen Höhepunkt in der Klassik und Romantik hatte. Er heißt dann so viel wie, dass ein Individuum über sich selbst hinausragt bzw. sich auf das Absolute hin transzendiert. Das meint dann aber nicht mehr die historisch-empirische Person des "Künstlers". Schleiermacher konnte die Religion in dieser ästhetischen Weise beschreiben; Schleiermachers Kunstverständnis als "Darstellung von etwas" hat sich für die Kunstauffassung des 20.Jahrhunders nicht bewähren können. Allerdings könnte man unser modernes Kunstverständnis mit den Worten des jungen Schelling in ähnliche Weise ausdrücken wie Schleiermacher die Religion: Ein Kunstwerk ist dann Kunstwerk, wenn es im Sinnlichen das über uns hinausweisende Genialische hervorbringt, das uns das Absolute vergegenwärtigt. So verstanden, liegt das Absolute nicht selbst im Kunstwerk, sondern stellt sich als Bewegung über das Sinnliche hinaus beim konkreten Betrachter erst ein.

Tobi am 08.02.2011 um 15.14 Uhr.


Kommentar:

Schön, dass Du mir nun so zustimmst. Nur zum obigen Text passt es nicht ganz.
Dann hätte man zum Beispiel die großen Worte Deiner Überschrift "echt" und "falsch" schon auch anders verstehen müssen.

sophie am 08.02.2011 um 16.49 Uhr.


Kommentar:

Whou, abgefahren...
Ich will ja echt kein Banause sein, aber die langen Texte und Kommentare sind auf Dauer doch echt harte Kost.
Evtl. liegt's auch nur an meiner, aufgrund meines allzuhäufigen Multitaskings, beeinträchtigten Konzentration. Möglicherweise könnte man es früher auf den Punkt bringen

Andernfalls veröffentliche ich hier demnächst meine (guten) Hausarbeiten

Bosso am 08.02.2011 um 22.35 Uhr.


Kommentar:

Ich bin versucht, auf den Kommentar zu antworten. Aber ganz zum Glasperlenspiel sollte es ja nicht verkommen. Versprochen, meine nächsten Texte werden eingängiger und blogmäßiger.

Tobi am 08.02.2011 um 23.04 Uhr.


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