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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Der Bericht vom Woodstock 2008
Das Wetter. Damit lässt sich immer gut anfangen. Und weiß ich einmal nichts mehr zu reden, dann rede ich halt über das Wetter. Denn das Wetter ist objektiv und immer irgendwie ein Thema. Heiß war es, sage ich. Der andere wird dann sagen: „Ja geschwitzt habe ich auch. Aber letztes Jahr war es knallender.“ Recht hat er, denke ich, denn pfingstbedingt war das Woodstock Open-Air in Dornstadt bei Oettingen in Bayern dieses Jahr früher, also nicht so ganz hochsommerlich. Dennoch konnten die drei Tage mit überdurchschnittlich trockener und heißer Witterung vonstatten gehen. Zuvor war es durchwachsen.
Als ich am Freitag auf dem noch sauberen und grünen Zeltplatzrasen mein Zelt aufschlug – halb erholt nach einem netten Feiertag und den Kofferraum viel zu voll mit Fressalien – war die Erde noch weich und die Müdigkeit noch nicht da. Dafür aber schon eine Menge an Leuten. Die Stimmung auf dem Festivalgelände tobte schon. Rocklegenden und Reggaefreunde, Rastamenschen und Althippies, alle vereint am Abtanzen. Eine bunte Musikmischung stand bevor. Lange Nächte waren vorprogrammiert. Garantiert würde auch etwas für mich dabei sein. Wie für jeden.
Die einen Gäste wollten einfach nur Musik haben. Die anderen einfach nur die Stimmung. Manche wollten Tanzen. Manche wollten lieben. Manche kamen mit, weil sie’s endlich einmal sehen und erleben wollten. Wieder andere waren schon dicht, als sie ankamen. Und viele konnten so richtig entspannen in der freien Natur, umgeben von lauter bunt gekleideten, barfüßigen Familienmenschen, die ihren dreijährigen Nachwuchs mit bunten Lärmschützern auf den Ohren in den Armen tragen und die bunte Mischung genossen.
Jamaram dürften so die jüngsten gewesen sein. Die deutsche Reggaegruppe ist zur Zeit dabei, sich zu etablieren und verteilt fleißig Flyer, gurkt herum in ganz Deutschland und macht recht passable Musik. Matyes sprang fleißig an der Bühne herum, um sie ins Bild zu bekommen.
Wie eine Rocklegende wirkte die US-amerikanische Gruppe „Pavlov’s Dog“. Vom Aussehen her im Country-Stil und vom Klang her ins Harte gehend, brachte diese Bänd den Platz zum beben. Hoch und nieder gingen die Köpfe. Das muss ein skurriles Bild gewesen sein. Lustig war’s auch. Der Sänger wurde 69, hatte eine verbrauchte rauchige Stimme, lange fettige Haare und stellte nach fast jedem Stück die Gruppe vor. Als die Fiedlerin das Publikum auf Deutsch grüßte, begannen alle Mitglieder, ihre Kenntnisse des Teutonischen hervorzukramen. „Prost“, schallte es röhrend vom Gitarristen. Sehr zu unserer Freude.
Retrospektiv wurde es den Abend noch mit „Siena Root“, einer schwedischen Hardrock-Gruppe, deren Sänger Morrison-ähnlich sehr hoch sang. Sehr stilecht war alles inszeniert. Ein Bassist mit abstehender Lockenmähne und langem Ledermantel, ein Gitarrist mit hüftlanger Matte und ein Drehleierspieler, der total entspannt aus dem Backstage kam, stets eine Kippe im Mund. Lang ging die Nacht noch, richtig rockig drehten die nächsten Gruppen auf. Den Abschuss bildete eine zylindertragende Instrumentalrockformation, deren Frontmann mit seiner Moderation sehr künstlich wirkte.
Samstag dachte ich zunächst, das Kinderprogramm zu vernehmen, als eine Figur mit langen Dreadlocks auf Deutsch das Alphabet als Mitmach-Lied sang. Erst spät merkte ich, dass das nicht Rodscha und Tom waren und der Text auch nicht kindgerecht sei. Meine Brille hatte ich nicht auf – „ich hatte Hepatitis A B C D ...“ kam von „Wildcamping“ und beschallte die Marktstände, die ich auf der Suche nach einem schönen Tuch und dem passenden Button dazu mehrfach abklapperte.
Nachmittags spulten Rodscha aus Kambodscha und Tom Palme ihr bewährtes Hippienachwuchsentertainment herunter, nur um dann als Weißwurscht’is erneut Stimmung zu machen. Mich hat’s nicht aus der Pelle gehaut. Aber es war eine nette Zeit, um die Decke vom Zelt zu holen und die Nutella aus der Kühltasche zu kramen. Die Decke hätte es dann gar nicht gebraucht. Denn sowohl die Reggaebänd, die mit Vollblutmusikern einheizte, als auch die 17 Hippies aus Berlin – und erst recht diese! – machten es unmöglich, sitzen zu bleiben. Die Musik war so fetzig, bei den Hippies so ansteckend und inspirierend, dass man nur mitgehen konnte. In den Klang hinein zog es mich förmlich. Eine Instrumentenvielfalt war das! Der Kreativität setzte es kaum Grenzen, sogar eine Säge wurde mit dem Bogen gestreichelt.
Ich schloss meine Augen und wurde ruhig. Um mich herum verschwamm alles zu einer Welt. Die Musik war über mir und unter mir. Meinen Körper nahm ich war als mich selbst. Ich vergaß zu denken und hörte zu. Über mir war der Klang. Neben mir war der Klang. In mir war der Klang. Das musste doch ein starkes Glücksgefühl bereiten, so eine harmonierende Kulisse zu malen – mit dem Instrument in der Hand und der Musik der Anderen um einen herum! Ebensolches strahlten die in die Jahre gekommenen Musiker aus. Alle strahlen bei dieser so fröhlichen und lebensfreudigen Musik. Klezmer, Jazz, Folklore. Irgendwie alles und vertraut.
Sonntag war ich so müde, dass ich um halb Fünf schlafen ging; nach einer Nacht im Freien unter Sternenhimmel und umgeben von lieben Leuten. Um Zehn knallte die Sonne so sehr aufs Zeltdach und prasselte der Morgenniesel so trommelnd, dass ich aufstand. Schön wars gewesen. Müll gesammelt, abgegeben. Letzte Einkäufe auf dem Festivalgelände – wo dann schon wieder die letzten Gruppen ihr Programm abspulten – um dann mit sekundenlangen Unterbrechungen durch Übermannung von Schlaf heimzufahren.
Nächstes Jahr wieder. Danke, Woodstock. Danke, Dornstadt.
Uli in MAT: Events am 27.05.2008 um 00.06 Uhr
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wow, echt schöne bilder muss man sagen...schön geschrieben..
matyes am 27.05.2008 um 13.49 Uhr.
das artikelbild wirft aber auch die fragen in den raum wie: was hebt der uli denn alles vom boden auf oder hat er so gute augen dass er es im stehen erkennen kann?? vorallem bei ner körpergröße von gefühlten 190 cm...
matyes am 27.05.2008 um 18.35 Uhr.