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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Wie Sprache Täterinnen und Täter versteckt
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Mich interessiert weniger die Grammatik. Mich interessiert, was mit Sprache transportiert oder eben auch nicht transportiert wird. Sprache fasst in den obigen Beispielen die Wirklichkeit einer Handlung in Worte. Wenn sie dazu unterschiedliche Worte benutzt, dann gibt sie eben auch unterschiedliche Bilder von Wirklichkeit ab.
Das ist deshalb relevant, weil die deutsche Sprache so strukturiert ist, dass Täterinnen und Täter sich ganz einfach hinter ihr verstecken können. Oder auch: dass Täterinnen und Täter ganz einfach hinter Sprache versteckt werden können. Gerade die seriöse Berichterstattung kann durch Passiv-Konstruktionen völlig korrekte und wahre Aussagen treffen, ohne Täterinnen und Täter zu benennen. Man kann auch öffentlich Opfern gedenken, ohne dass man Täterschaft thematisieren müsste. In der Wirklichkeit der Sprache werden Opfer damit als Opfer anerkannt, ohne dass es Täterinnen und Täter gibt. Unbequeme Wahrheiten können auf diese Weise einfach weggelassen und unausgesprochen bleiben. Dass es Opfer gibt ist dann eher so ein beklagenswerter Gesamt-Missstand, für den – sprachlich betrachtet – nicht unbedingt jemand was kann: bedauernswert, aber weniger Folge einer aktiven Tat als mehr ein schicksalhaft erlittenes Übel. Aus Taten werden Geschehnisse.
Das deutsche Passiv prägt einen Sprachraum, der es – sprachlich betrachtet – besonders leicht macht, niemanden für Taten zur Verantwortung zu ziehen.
Das wird deutlich, wenn ich abschließend aus einer Schrift zitiere, die sich mit dem jüdischen Leben in Deutschland während der Nazi-Diktatur beschäftigt, ein Teil deutscher Erinnerungskultur:
sophie in Gesellschaft am 22.09.2024 um 14.06 Uhr
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