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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Die Bettlerin mit Auto oder
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„Ich bräuchte fünf Euro für Sprit. Ich muss noch nach Winnenden.“
Eine Stimme in meinem Kopf sagte mir, dass ich wenigstens die Kinnlade wieder hochklappen sollte, wenn die Frau schon nicht das Fenster hochkurbelte und wegfuhr. Winnenden, das war diese Stadt irgendwo im Nordosten der Region. Mit der Bundesstraße kommt man dort recht schnell hin. Kärcher hat dort seinen Hauptsitz. Und Winnenden hat eine S-Bahn-Station.
„Haben Sie echt kein Geld?“, fragte ich. Welch sinnvoller Einfall! Die Frau im Wageninneren schüttelte den Kopf. Der Motor tuckerte unüberhörbar und vor meinem inneren Auge lief dabei der Tank leer.
„Kein Geld mehr. Ich bekomme erst nächste Woche wieder welches.“
„Haben Sie nicht eine EC-Karte dabei?“ war meine nächste Frage. In Notlagen vergisst man ja manchmal das Naheliegende. Und meine Vorstellung, dass jemand ohne Geldbeutel – ergo ohne irgendwelche Ausweise, Karten, sonstiges – von Winnenden nach Stuttgart fährt, war undenkbar.
Die Dame im Van hatte keine EC-Karte. Stattdessen wollte sie wissen, wo die nächste Tankstelle sei. Wieder hörte ich laut das Tuckern des Motors. Da ich nicht wusste, wo in Stuttgart überhaupt eine Tankstelle ist (wie kann man so töricht sein, nach Stuttgart mit dem Auto zu fahren?), wurde die Frau langsam ungeduldig. Ihr letzter Trumpf kam heraus und stürzte mich endgültig ins Rätseln:
„Ich könnte zur nächsten Tankstelle. Ich könnte Ihnen meinen Ausweis zeigen. Zur Sicherheit.“
Welche Sicherheit? Was will ich mit einem Ausweis? Ich hatte es echt nicht verstanden und auch mein Hirn kam nicht mehr mit, mir die Situation vollständig zu analysieren. Wenn ich bis auf den Cent ausgebrannt durch die Lellebebbelstraße am Hasenberg cruise – in meinem Van – dann kann ich doch nicht davon ausgehen, dass ich so wirke, als würde ich den Leuten das Geld zurückzahlen?
„Das mache ich nicht“, hörten meine Ohren meine Lippen sagen, ehe ich mich wieder dem Telefonat zuwandte.
Das war echt gemein. Eine Zwickmühle. Wenn mich jemand fragt, die oder der bedürftig wirkt, gebe ich gerne das Geld. Auch fünf Euro, wenn es denn hilft. Diese Dame, die mit ihrem großen Auto von Winnenden nach Stuttgart gefahren war, erzeugte in meinem Hirn eine Aussage, die ausgesprochen in etwa so klang: Nein auch bei näherer Betrachtung erschließt sich mir die Notlage der Situation nicht.
Uli in Gesellschaft am 19.03.2018 um 22.07 Uhr
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