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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Die Bettlerin mit Auto oder

Ohne Sprit in Stuttgart

Berlin – arm aber sexy. Auf dieses Motto waren die Bundeshauptstädter einige Jahre lang mächtig stolz. Abgesehen vom Großflughafen auf der Schönefelder Heide ist diese Stadt wirklich bemitleidenswert arm. In manchen Vierteln liegt an nahezu jeder Ecke auch bei Eiseskälte eine wohnungslose Person.

Wer ein bisschen nonkonform, aber nicht komplett verarmt aussieht, wird täglich am Bahnhof Friedrichstraße von den selben drei trostlosen Personen mit denselben drei tonlosen Sprüchen um Kleingeld für die Suppenküche angesprochen. Dass die Suppen und Schlafplätze Geld kosten – so indirekt der Leiter der Stadtmission – sei dazu da, den Menschen ein bisschen Stolz zu geben. Armenspeisungen können sich prinzipiell nicht selbst decken. Aber Geld zu organisieren sei für die meisten Menschen ohne Obdach das geringste Problem. Und wer für eine Leistung auch nur ein paar Cent zahlt, weiß die Leistung zu schätzen und als erkaufte Leistung auch eher anzunehmen.

Der Blick auf eine andere Landeshauptstadt weckt auch Klischees. Stuttgart. Ich muss jetzt an dieser Stelle nicht mit Wahrheiten über die Württemberger aufwarten. Eine Anekdote dieses Tages genügt. Zum Einfühlen in die Atmosphäre sei noch erzählt: Die Menschen in Stuttgart haben zum Teil keine 25 Quadratmeter zum Wohnen. Aber sie haben ein Auto.

Man braucht eigentlich gar nicht den 20-Kilometer-Radius rund um den Charlottenplatz mit dem Privatwagen zu befahren: Mindestens eine halbe Stunde Verzögerung ist immer einzukalkulieren. Es gibt in Stuttgart so gut wie keine freien Parkplätze, und die, die frei sind, kosten so viel wie die Fahrt mit der S-Bahn von außen hinein ins Zentrum und zurück. Mit dem Auto in Stuttgart sind also nur Menschen unterwegs, die fett Kohle haben. Oder keine.

Mit ein paar Einkäufen im Rucksack wanderte ich telefonierend eine Straße des Stuttgarter Zentrums entlang. Auf einmal hielt am Bordstein ein schwarzer Van mit herunter gelassenem Beifahrerfenster. Freundlich wie ich bin, unterbrach ich mein Telefonat und lies mich herunter, um von der Dame auf der anderen Seite des Vehikels zu erfahren, welch Anlass es für diesen Unterbruch meines Gespräches gebe.

Ich machte mich darauf gefasst, in irgendwelche Richtungen, die ich selbst nicht kannte, zu deuten oder mitleidig den Kopf zu schütteln, weil ich von einer Straße, deren Name so klang wie Lellebebbel, noch nie etwas gehört hätte (und hinterher festzustellen, dass ich mich in einer solchen flanierend befand).

Es kam aber anders. Ich brauchte etwas Zeit, bis der Sinn der Frage mich erreichte.

„Können Sie mir mit fünf Euro aushelfen?“

Mein Hirn erläuterte mir noch einmal die Situation: Eine Frau in einem großen Auto fährt durch Stuttgart. Sie hält am Straßenrand und stört mich beim Telefonieren. Sie fragt nach Geld. Nach unverschämt viel Geld für eine Bettlerin. Und sie sagt nicht mal „Bitte“ oder „Entschuldigung“.

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Uli in Gesellschaft am 19.03.2018 um 22.07 Uhr

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