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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Wenn alles nur eine Simulation ist
Nehmen wir an, eine Forschungsgruppe in einem staatlichen Institut hat einen Computer für Simulationen entwickelt. In diesem Modell werden Prozesse berechnet, wie sie in der Wirklichkeit stattfinden. Verkehrsflüsse, Gebäudestatik, Naturkräfte, Wetter, Pflanzen, Tiere, Menschen. Wer sich in die Simulation einklinkt, kann seine berechnete Umgebung sehen, hören, fühlen, riechen. Der Super-Computer spiegelt ein nahezu perfektes Abbild von der Welt wider, wie wir sie kennen.
Nahezu perfekt. Denn wer häufiger an einem Rechner saß, weiß, wie störanfällig Technik ist. Prozesse frieren ein. Datenbanken stürzen ab. Leitungen brechen zusammen. Kleine Programm- oder Lesefehler können absurde Ergebnisse verursachen. Sinnlose Meldungen erscheinen auf dem Bildschirm. Oder sie werden doppelt angezeigt.
Natürlich sind in unserer Simulation diese möglichen Fehler mit berücksichtigt. Doppelte Leseprozesse helfen mit, um Darstellungsfehler zu vermeiden. Datenbanken werden im Sekundentakt an sichere Orte kopiert. Mehrere Notstrom-Aggregate stehen bereit, einzuspringen, damit die abgebildete Welt nahtlos laufen kann. Sicherheitspersonal und technische Überwachung schützen das Mega-Rechenzentrum vor Anschlägen und Manipulationen.
Trotzdem „erleben“ die simulierten Wesen Fehler. Darstellungslücken und Dopplungen bemerken sie und interpretieren sie als „Déjà-vu“.
Erinnerungen wirken blass und verändern sich mit der Zeit.
Und dann ist da noch dieses seltsame Gefühl, echt zu sein, aber nicht in die Welt zu passen. Als klängen in der erlebbaren Wirklichkeit surrend die Schaltkreise nach.
Kennen wir das nicht irgendwo her?
Einem breiten Publikum hatte die Idee der Film „Matrix“ bekannt gemacht. Für Science-Fiction-Fans und Philosophen war dies kein neues Thema. Dass die Wirklichkeit nichts als ein Abbild von etwas höherem sei, beschreiben etliche Romane und Kurzgeschichten aus den 1960er und 70er Jahren. Philip K. Dick und Daniel F. Galouye verdienten ihr Brot mit dem Gedanken, dass die Welt nicht genug ist. Den Erstgenannten trieb die Suche nach der Wirklichkeit schließlich in den Wahnsinn.
Ihrerseits haben sich die Zukunftsautoren bei Philosophen bedient. Plato illustrierte mit seinem Höhlengleichnis, dass die wahrnehmbare Welt nur Abbild von Ideen sei. Zweitausend Jahre später meditierte René Descartes die Frage, was aus den wahrgenommenen Dingen sicher existiere. „Ich denke, also bin ich“ wurde seither oft zitiert. Die Sicherheit, dass man selber ist, kann nicht über andere Unsicherheiten wegtrösten.
Es scheint, als haftete der Wirklichkeit etwas zutiefst Unwirkliches an. Das ist nicht erst so, seit Kinder auf dem Bildschirm für ihre Sims Häuser bauen können.
In seinem tiefsten Inneren weiß der Mensch, dass er nicht nur von dieser Welt ist.
Uli in Philosophie am 30.09.2012 um 17.34 Uhr
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