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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Meditation übers Sehen
„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Sieh dich um, schau nach oben, nach unten, links und rechts. Was siehst du? Eine vertraute Umgebung. Das Licht kommt von oben, der Boden ist unten. Du vertraust auf die Ordnung, die du siehst. Wenn du sitzt, weißt du, wie du aufstehen musst, um nicht zu fallen. Wenn du einen Stift nach oben schmeißen würdest, käme er wieder herunter. Alles ist so sicher und gewiss, du siehst es ja schließlich.
„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Mit meinen eigenen Augen kann ich mich der Welt um mich her und meiner selbst vergewissern. Doch, wenn ich ganz langsam die Augen schließe, verschwimmt eine vertraute Umgebung, zerfließt in tausend Flecken. Durch meine geschlossenen Lider wird nicht mehr klar, was oben und was unten ist. Licht dringt schwach ein. Woher nehme ich die Sicherheit, dass sich nicht plötzlich vor mir der Boden geräuschlos auftun würde?
„Ich sehe was, was du nicht siehst.“ Irgendwie muss ich mich auf das verlassen, was ich sehe. Das machst du so, das macht jeder so, wenn er sehen kann. Es besteht kein Grund, die Welt in Frage zu stellen. Sie ist so perfekt, so sinnvoll geschaffen, dass ich mich sicher fühlen kann. Ich weiß, auch wenn ich die Augen schließe: Der Stift fällt herunter, wenn ich ihn hochwerfe. Es öffnet sich auch nicht plötzlich geräuschlos der Boden. Das weiß ich. Ich habe es doch gesehen.
Und wenn jetzt jemand kommt, der sagt: „Ich habe einen Stift nach oben geworfen, der fiel nicht herunter, sondern stieg hinauf und blieb an der Decke liegen“? Werde ich ihn mitleidsvoll ansehen, weil er so einen Blödsinn erzählt? Weil er Dinge für wahr hält, die nicht sein können? Werde ich sagen: „Du hast einen schiefen Blick, lass dir mal die Brille richten“? Oder werde ich ihn beneiden, weil er was gesehen hat, was ich nicht sehe?
Wenn jemand kommt und sagt: „Da ist einer übers Wasser gelaufen.“, oder „Da ist jemand gestorben und lebendig wieder auferstanden“, dann sage ich „Amen“ und stimme mit ihm ein, unseren Herrn Jesus zu loben für seine großen Taten. Wunder über Wunder, denke ich, und mache lachend einen Schritt vorwärts, denn soeben hat sich geräuschlos der Boden vor mir aufgetan.
Uli in st.eckdose am 20.11.2010 um 09.57 Uhr
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