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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Brandserie in Berlin breitet sich aus

Eine Hand voll Feuer


In seiner Erzählung „Eine Hand voller Sterne“ beschreibt Rafik Schami, wie in Damaskus oppositionelle Journalisten Artikel gegen die Regierung in Socken verpackt verbreiten. Das Geschäft läuft gut und gefährlich – die Handlung wird richtig spannend. Irgendwann wird Habib, der leitende Kopf hinter der Zeitung, verhaftet. Doch das Phänomen der „Sockenzeitungen“ ist fortan nicht mehr zu stoppen. Indem die offiziellen Medien diese Taten kritisieren und beschreiben, finden sich im ganzen Land neue Habibs, die Sockenzeitungen drucken und verbreiten.

Eine ähnliche Geschichte spielt sich in Berlin ab. Dort geht es nicht um Regierungskritik, sondern um Sachbeschädigung. Jedes Jahr brennen nachts etliche Autos ab. Allein dieses Jahr seien über hundert angezündet worden, auf über siebzig sei das Feuer übergegriffen. Weil die Stadtregierung und die Polizei nicht ganz tatenlos zusehen möchten, versuchen sie, die Täter zu fassen. Hubschrauber kamen zum Einsatz. Und man erwischte einen Zündler, steckte ihn in U-Haft und freute sich. Die Brandserie in Friedrichshain-Kreuzberg, wo sich Einwohner seit Jahren gegen die Gentrifizierung zu wehren versuchen, war wohl abgerissen.

Zuletzt hatte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) es „faszinierend“ genannt, dass nach der Hubschrauber-Festnahme eines Tatverdächtigen die Serie abgebrochen sei.

Offensichtlich war der Täter gefasst. Oder doch nicht?

Doch dies war voreilig: Zwar sitzt Detlef M. in Untersuchungshaft, doch nun brennen wieder Autos.

Und wie die Autos brennen! Nicht mehr hauptsächlich im brenzligen Friedrichshain-Kreuzberg, sondern auch in Wilmersdorf oder Moabit. Im ehemaligen West-Berlin. Und auch sonst wo. Wir stehen staunend vor einem Rätsel und fragen uns, woher die ganzen Detlefs kommen.

Der „Tagesspiegel“, von dessen Netzseite die beiden Zitate stammen, wundert sich zusammen mit den Senatoren und lässt einen Ermittler der Polizei zu Wort kommen:

„Ein Mord ist leichter aufzuklären.“ Die Zündler hinterlassen nahezu keine Spuren. Um ein Auto in Brand zu setzen, genügt ein [...], der [...] wird – das geht so schnell und unauffällig, dass es nahezu unmöglich ist, Täter auf frischer Tat zu erwischen.“

Auslassungen durch Eckdose.de

In Rafik Schamis Erzählung könnte es die volle Absicht der Journalisten bei den gleichgeschalteten Medien sein, die Anleitung zum Erstellen regierungskritischer Zeitungen zu drucken, damit dies Nachahmer findet. Welche Absicht oder welcher Gedanke bei den Redakteuren des „Tagesspiegels“ dahinter steckt, bleibt ein Rätsel: Eine so detaillierte Entflamm-Anleitung mit dem freundlichen Hinweis, dass der „Grillspaß“ quasi folgenlos bleibe. Da ist sicher manch gelangweilter Jugendliche sofort Feuer und Flamme.

Uli in Medien am 16.07.2011 um 11.25 Uhr

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Kommentare

Kommentar:

Tatsächlich habe ich das gleiche auch gedacht, als ich deinen Beitrag las. Kann dies tatsächlich als Anstiftung zu dieser Tat gewertet werden? Odder vielleicht nicht als Anstiftung, aber doch als Anleitung? Ich bin mir unsicher und wünschte mir eine geschickte soziologische Untersuchung

Fibonaccie am 02.08.2011 um 00.30 Uhr.


Kommentar:

Nachdem die Grillpartys bei stärkerer Medienaufmerksamkeit häufiger wurden, wäre schon ein Zusammenhang erkennbar. Die Gegenprobe (zur Zeit weniger Anleitungen in den Zeitungen) liefert uns die Zeit.
Den Eckdosen-Lesern traue ich verantwortungsvollen Umgang mit Informationen zu, obwohl manche Suchmaschinen alleine aus diesem Artikel die Entflamm-Anleitung hervorheben.

Uli am 23.08.2011 um 11.11 Uhr.


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