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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Gibt es Gerechtigkeit als Naturgesetz?

Mit aller Wahrscheinlichkeit


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

Kullernd rollen die Würfel über die Tischoberfläche und taumeln auf ihr Ergebnis zu. Fünf Stück habe ich im Würfelbecher geschüttelt. Mit einem Blick erfasse ich die zufälligen Zahlen: Zwei, Drei, Vier, Fünf, Sechs. Eine große Straße. Siegesgewiss trage ich mir 40 Punkte in die Wertetabelle ein. Meine Mitspielerin ist an der Reihe. Eine Fünf, eine Sechs. Drei der Würfel kippen auf Drei. Sie wirft die Fünf und die Sechs zurück und würfelt sie erneut. Beide fallen, dass die je drei Augen anzeigen. Ihr dritter Kniffel in dieser Runde. Sie schreibt sich weitere 50 Bonuspunkte für die Endabrechnung auf.

Gerne möchte man an Zufall glauben. Schließlich haben die Mathematiker einem in der Oberstufe die Wahrscheinlichkeit als Gesetz indoktriniert. In einer unendlichen Zahl von Würfen, heißt es, sind die Zahlen gleich verteilt. Erstaunlich nur, dass ich mit dieser zufallsverteilten Wahrscheinlichkeit überhaupt Würfelspiele wie Kniffel spielen kann. Zu oft kommen Ergebnisse beim ersten Wurf, die ich mir gewünscht hatte.

Da fällt dann wieder die Unendlichkeit ein. Summiere ich diese Glücksrunden mit der einen Runde, in der jeder Wurf Blödsinn war, ich nicht einmal auf hundert Punkte kam, dann geht das Gesetz plötzlich auf. Nur, damit Mathematiker nicht an einem zufallsgesteuerten Weltbild zweifeln müssen, habe ich eine Runde lang plötzlich blöde Ergebnisse im Kniffel.

Aber diese zufälligen Häufungen sind nicht nur beim Würfeln da. Zur Zeit scheint die halbe Welt im Hochwasser unterzugehen. Zufall? Nö, sagt ein Geograph und zeigt auf die Wetterkarte. Tauwetter in Deutschland. Und Australien? Regenzeit. Brasilien? Ja, mai... Und das alles gleichzeitig? Zufall. Kommt meteorologisch nun mal jetzt alles zusammen. Insgesamt verteilt ist alles logisch und gleichmäßig. Auf einer Skala von hunderten von Jahren, versteht sich.

Im ganzen System scheint jeder Bereich auf eine gleichmäßige Verteilung angelegt zu sein. Es mag zwar hier und da, jetzt und dann Häufungen oder ganze Lücken geben. Doch im Ganzen sind Würfelglück und Überschwemmungen regelmäßig und gar nicht so extrem. Im Physikunterricht lernen wir vom Energieerhaltungssatz. Und eine Volksweisheit erzählt davon, wer anderen eine Grube grabe, der falle selbst hinein.

Ja, warum denn auch nicht? Warum sollten diese Gesetze gleichmäßiger Verteilung nur in der Physik gelten, nicht aber zwischen Menschen? Selbst Naturwissenschaftler müssten eine solche These nur unterstützen können. Schließlich sei der Mensch ja nur Produkt konsequenter physikalischer und chemischer Zufälle. Wenn alles logisch aufeinander aufbaut, dann müssen die Natur-Gesetze des Mikrokosmos auch für menschliches Ergehen gelten.

Jetzt könnte der Erfahrungswissenschaftler kommen und mir erzählen, das stimme so nicht. Er würde mit dem Beispiel des ewig bösen Grubengräbers kommen, der nie hineinfiel. Dann erzähle ich ihm von dem Kniffel-Spiel mit den drei Kniffeln nacheinander. Oder von den zwölf Flugzeugabstürzen an einem Tag. Vielleicht wäre er, das Böse betreffend, hiermit überzeugt worden, von dem glücklichen Zufall, der den Bösen nicht hineinfallen ließ. Möglicherweise würde er mir dann von dem Guten erzählen, der immer wieder den selben Menschen half, und nie auch nur ein Wort des Dankes hörte.

Mag sein, würde ich antworten. Aber dieser Mensch hat sicher nicht erzählt, wer ihm alles geholfen hat, was er übersehen hat. Genauso wie der ewige Grubengräber zwar nicht in seine eigenen Gruben fiel – aber wer sagt denn, ob er ein positives Ende genommen hat. Wer sagt denn, ob er nicht in die Gruben gefallen ist, die andere ihm gegraben hatten?

Dass wir das Leben als ungerecht sehen, sagt nicht, dass es nicht nach Wahrscheinlichkeiten und gesetzmäßig verlaufen würde. Diese Ungerechtigkeit, die wir empfinden, sagt einfach nur, dass wir die Gesetze nicht wahrnehmen, dass unser Gerechtigkeitssinn nicht dem entspricht, wie es sich verhält. Der, der mir Böses tut, dem wünsche ich eher Böses, als dem, der anderen das gleiche Böse tut. Der eigene, höchst persönliche Schmerz spielt mit, wenn ich Gerechtigkeit fordere. Im ganzen System, bin ich sicher, ist auch der Bereich zwischen den Menschen auf eine gleichmäßige Verteilung angelehnt. Wer Zwietracht sät, wird Sturm ernten. Nicht immer von da her, woher er’s erwartet.

Uli in Philosophie am 15.01.2011 um 17.27 Uhr

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Kommentare

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... und ich dachte immer, das mit der Grubengraberei sagt nicht erst der Volksmund, sondern schon die Bibel (Spr 26,27).

sophie am 15.01.2011 um 18.28 Uhr.


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