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Unmoral genießt keinen Bestandschutz

Lausbua als Brauchtum

Ein gezeichnetes hellblaues Lebkuchenherz mit der Aufschrift: Lausbua
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Bild: sophie
 (© Eckdose)

In München zu arbeiten, bringt manche Besonderheit mit. Eine davon ist die alljährliche Benachrichtigung der Arbeitgeberin: Zur „Brauchtumspflege“ darf innerhalb der Arbeitszeit mit Kolleginnen und Kollegen auf die Wiesn gegangen werden. Es müssen mindestens fünf Kolleginnen und Kollegen sein. Das ist die festgelegte Mindestanzahl der Geselligkeit, um „Brauchtum“ ordnungsgemäß pflegen zu können. So geht es aus dem offiziellen Schreiben hervor.

Brauchtum und Sexismus

Eine meiner Freundinnen war vor ein paar Jahren zur Brauchtumspflege mit ihrem Münchner Team einer anderen seriösen Arbeitgeberin auf der Wiesn. Das Brauchtum gipfelte darin, dass ihr Vorgesetzter im Bierzelt eine Bemerkung über das Dekolleté meiner Freundin machte, welches er daraufhin ungefragt und zentriert fotografierte.

Brauchtumspflege muss keine Entschuldigung für Sexismus sein, es gibt jedoch Indizien, die einen Zusammenhang nahelegen. Da ist zum Beispiel der Stuttgarter Oberbürgermeister Nopper. Der empfiehlt nicht nur mit steter Regelmäßigkeit, das Gendern sein zu lassen – eine „hysterische correctness“, wie er meint. Er zeigte sich gleichzeitig in der Vergangenheit auch aufgeschlossen gegenüber sexistischen Darstellungen auf dem Cannstatter Frühlingsfest. Vergewaltigungsszenen an Volksfestbuden? Für den CDU-Politiker glich ein Verbot solcher Motive ganz unangemessener Zensur. Die „Tugend- und Sittenwächter“ brauchten doch nicht zu übertreiben. Solche Darstellungen gebe es seit Jahrzehnten und zuvor habe sich auch niemand daran gestört – so wird er weiter zitiert.

Er benimmt sich daneben – wie niedlich

Ein anderes Beispiel begegnete mir diese Woche: Auf einem Babystrampler in Oktoberfestoptik prangt auf der Brust in einem hellblauen Schnörkelherz das Wort „Lausbua“. „Ist doch niedlich“, mag man meinen. Genau das ist das Problem. Ein „Lausbua“ wird als „niedlich“ empfunden. Der Begriff meint einen kleinen Jungen, der rechtlich oder sozial eigentlich unerwünschtes Verhalten an den Tag legt, aber – und das ist die Pointe – für dieses rechtlich oder sozial eigentlich unerwünschte Verhalten nicht Sanktion, sondern bestätigende Anerkennung findet.

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sophie in Gesellschaft am 03.10.2025 um 12.29 Uhr

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