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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Beobachtungen zu einer Nazidemo in Stuttgart
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Bild: Uli
(© Eckdose)
Im Laufe der Zeit sah ich weitere Frauen in den Stadtgarten schlendern. Frauen, die aussehen wie die nette Hausfrau von nebenan. Es sind Frauen, für die andere Generationen von Frauen erkämpft hatten, dass sie wählen dürfen, ein eigenes Konto haben können, nicht mehr ihren Mann um Erlaubnis fragen müssen, ob und was sie arbeiten dürfen. Solche Frauen demonstrieren nun mit Gruppen, die Frauenrechte in Frage stellen, offensichtlich irrig meinend, sie würden für ihre Rechte eintreten.
Hinter mir standen zwei junge Männer mit einem Schild: „Inklusion statt Deportation“. Sie unterhielten sich über ein Erlebnis von der Anreise. Eine Frau mit einem Kind mit Down-Syndrom hatte sich im Zug zur Gruppe der offenbar Demonstrierenden gesetzt. Sie hatten sich unterhalten, und nach einer gewissen Zeit stellte sich heraus, dass die Frau zur Nazi-Demo wollte. Sie vertrat fest die Auffassung, die AfD würde sich für die Rechte behinderter Menschen einsetzen. Das tut die AfD nicht.
Ich fragte einen Polizisten, der auf dem Platz stand, ob er optisch unterscheiden könne, wer zu welcher Demo gehe. Er verneinte. Meistens müsse er fragen. Er sehe sich die Tatoos an, die Sprüche auf den Pullovern. Aber die meisten könne er nicht erkennen.
Dass nur „optisch genormte“ Menschen zur Nazi-Demo gingen, wäre jetzt ein falscher Eindruck. Die Nazis mit feixendem, verschlagenem Blick, junge Männer schwarzer Kleidung und Kurzhaarfrisur waren auch dabei. Sie liefen provozierend durch die linken Reihen, bis die Polizei sie hinauseskortierte. Schwarze T-Shirts und Sweater mit weißer Frakturschrift zeigen: Hier ist jemand stolzer Faschist.
Mit ihnen gemeinsam standen also die Hausfrauen von Nebenan, die schmerbäuchigen Rentnern und die spätestens mit Corona verlorenengegangenen Schwurbler im Stadtgarten und glaubten ernsthaft, sie seien auf einer Friedensdemo. Abgeschirmt wurden sie von hunderten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, sodass ihre Anwesenheit für die Öffentlichkeit nur indirekt durch Verkehrssperren bemerkbar war.
Bild: Uli
(© Eckdose)
Nach etwa einer Stunde setzte sich der Zug des Entsetzens in Bewegung, eskortiert von Demowagen der Polizei und der Reiterstaffel. Der Staat schützt die Rechte derer, die ihn abschaffen möchten. Das Fahnenmeer des Zuges war Schwarz-Rot-Gold, es gab weiße Flaggen, es gab auch blaue Flaggen mit Taube: gekaperte Symbole einst gegenteiliger Bedeutung. Dass die Taube mehr einem Adler ähnelte und Picassos Friedenstaube nicht dabei war, überraschte mich überhaupt nicht.
Schilder mit „Frieden schaffen ohne Waffen“, „Lügenpresse“, „Verschafft eurem Unmut Ausdruck!“, „Schaut nicht zu, wie unser deutsches Vaterland zugrunde geht!“, „Meinungsfreiheit“, die Russlandflage, immer wieder Schwarz-Rot-Gold. Zusammen mit Schlägertypen flanierte die Masse in Volksfeststimmung und mit stolzgeschwellter Brust fähnchenschwenkend durch die Frühlingssonne. Das Böse ist so banal. Ein Pappkarton mit „Vielfalt tötet“ drückte die volle Einfalt aus.
Uli in Gesellschaft am 23.03.2025 um 14.07 Uhr
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