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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Warum in der Vorweihnachtszeit wieder weniger eingekauft wurde
Weihnachten. Fest der Geschenke? Die Wochen vor Weihnachten gelten als umsatzstärkste Zeit im Einzelhandel. Doch nun schlagzeilen Zeitungen: „Händler melden schlechteres Weihnachtsgeschäft“.
Der Bericht beruht auf einer Meldung des Handelsverbands Deutschland (HDE). Er bezieht sich auf eine Umfrage unter 350 Unternehmen. Gegenüber dem bereits nicht so guten Vorjahr werde ein „Minus von fünf bis sechs Prozent“ erwartet. Auch im Online-Bereich lief es wohl nicht so gut. Der Bekleidungs-Verkauf sei besonders mies gelaufen. Zufrieden sei lediglich die Sport-Branche.
Bei den mitgelieferten Erklärungsversuchen wird eine „starke Konsumzurückhaltung“ als Grund vermutet. An sich klingt das nach Tautologie: Es wurde weniger eingekauft, weil weniger eingekauft wurde. Die Konsumzurückhaltung liege an einer „bei Verbrauchern große[n] Unsicherheit“ infolge von Rezession, hoher Inflation und Kriegen.
Hier wird es interessant, denke ich. Rezession ist ein wirtschaftlicher Rückgang – also auch wieder eine Tautologie, sofern es nicht weiter erklärt wird, dass z. B. Einzelhandels-Beschäftigte weniger Einnahmen für den eigenen Einkauf zur Verfügung hätten. Die Inflation leuchtet noch ein bisschen mehr ein. Komischerweise ist in der Schweiz die Inflation weniger als halb so hoch wie in Deutschland, dennoch hieß es dort bereits im November: „Schweizer Bevölkerung ist im Sparfieber“. Von Menschen im Einzelhandel hörte ich, dass einfach keine Kunden kämen.
Sind also jetzt alle so deprimiert über die Kriege, dass sie lieber zuhause sitzen? Dazu findet sich kein Beleg. An den Adventswochenenden waren Weihnachtsmärkte sehr voll. Eine kurze Suche durch die Nachrichten liefert etliche Berichte, dass sie auch umsatzstark gewesen seien. Menschen konsumieren also, zeigt das. Nur sie konsumieren offenbar anders. Zum Beispiel mit Freunden an Glühweinständen.
Was die Kriege tatsächlich beeinflussen, ist die Inflation. So brachte der Ukraine-Krieg zunächst erhöhte Spritpreise und übertrieben hohe Lebensmittelpreise mit sich. Damit sind Kriege aber kein separates Argument für den Umsatzrückgang mehr.
Die Baby-Boomer-Generation, selbst schon mit Konsum aufgewachsen, kommt immer mehr im Ruhestand an. Es wird keine Bekleidung mehr für den Berufsalltag benötigt. Selbst Personen, die nicht jahrelang ihre Kleider aufgetragen haben, brauchen nun weniger neues, weil die Anlässe fehlen, sie auszuführen. Außerdem haben viele Organisationen Home-Office-Regelungen beibehalten. Auch die Arbeitenden brauchen weniger ansehnliche Kleidung.
Dazu kommt, dass weniger Kinder nachkommen. Weniger Kinder heißt: weniger wachsende Menschen, weniger körperliche Notwendigkeit für größer werdende Größen; und weniger Menschen, die mit Geschenken überschüttet werden könnten. Das scheint jedoch noch ganz gut verbreitet zu sein. Aus unterschiedlichen Quellen weiß ich, dass die meisten Kinder durchaus nicht an Mangel leiden müssen. Von „Geschenkeschlacht“ bis zum „krassen Konsum-Worship“ wurde berichtet. Verschenkende waren den persönlichen Berichten zufolge überwiegend deutsche Großeltern.
Ich selbst bekomme weniger Geschenke. Das liegt zum einen an meiner konsumkritischen Haltung. Aber auch daran, dass ich nichts mehr brauche. Unsere Regale sind voll. In den Schränken ist kein Platz. Wer in der Corona-Zeit mühevoll seine Wohnung entrümpelt hat, sollte noch wissen, was er alles nicht braucht. Wenn wir selbst verschenken, sind das entweder sehr kleine, meist kunsthandwerkliche, Dekorationsgegenstände. Oder Dinge zum Verbrauchen. Dazu gehören Kalender, Süßigkeiten und Lebensmittel.
Die Statistik zu Geschenk-Arten führen mit 44 Prozent Geldgeschenke und Gutscheine an, mit 37 Prozent folgen Lebensmittel und Süßes. Bekleidung folgt auf Platz vier nach den Spielwaren; kurz danach stehen gedruckte Bücher. Bekleidung, Spielwaren und Bücher gaben aber nur noch rund ein Drittel der Befragten an. Zwei Drittel hatten also weder vor, in die Fußgängerzone, noch zum Webshop dieser Branchen zu gehen.
Generell gebe es einen Trend zu mehr Nachhaltigkeit bei Geschenken. Insbesondere die Generation Z – also junge Erwachsene etwa unter 25 – freue sich auch über gebrauchte Kleidung. Auch einer aktuellen Umfrage des HDE zufolge würden Second-Hand-Geschenke zu Weihnachten immer beliebter. Das ist auch ein bewusstes Wertebekenntnis.
Zusammengenommen dürften weder Krieg noch Inflation der Grund für den vorweihnachtlichen Umsatzrückgang im Einzelhandel zu sein. Viele Menschen brauchen nicht mehr. Noch mehr Spielzeug kann kein Kind verkraften. Der Konsum ist an seiner Grenze angekommen.
Und das wäre dann die Prognose für 2024: Wenn im Januar die Begutscheinten und Geldbeschenkten ihren Vermögenszuwachs in neues Mobiliar und neue Medientechnik eingetauscht haben werden, wird der Einzelhandelsumsatz weiterhin zurückgehen.
Wer Kleidung erfindet, die im Kleiderschrank alle anderen Kleidungsstücke zerstört, wird den Wirtschaftsnobelpreis erhalten.
Uli in Gesellschaft am 25.12.2023 um 15.56 Uhr
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