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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Schuld, Sünde und Buße

So schlecht sind wir doch aber auch wieder nicht


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Bild: Wilhelm Pichler, Katholisches Religionsbüchlein für die unteren Klassen der Volksschule. Wien 1920, 122.
 (alle Rechte vorbehalten)

Es gibt Begriffe, bei denen sinkt die Laune gleich in den Keller, wenn man sie hört. Solche Begriffe sind Schuld, Sünde und Buße. Worte, die man aus der Alltagssprache ja auch – aus gutem Grund? - nahezu verbannt hat. Von Schuld spricht man vielleicht noch, aber ungern. Gern eigentlich nur, wenn man die Schuld jemand anderem gibt. Selber schuld sein will eigentlich keiner so richtig. „Selber schuld!“ als Ausruf einem anderen gegenüber hingegen kann man ganz gut sagen. Vielleicht sogar noch mit einem gehässigen Lachen dazu.

Dann die Sünde. Die klingt nach Pfarrer und Kirche. Der Pfarrer oder die Kirche verweisen traditionell natürlich darauf, dass auch die Schokoladenwerbung von Sünde sprechen kann. Aber das macht es auch nur bedingt besser. Die zarteste Versuchung ist halt doch was angenehm Prickelndes. Die Sünde im Gottesdienst turned dagegen eher ab.

Bei der Buße scheint man dann endgültig am Tiefpunkt angekommen zu sein. Im besten Fall fällt einem nicht direkt der Beichtstuhl ein. Sondern der polizeiliche Bußbescheid. Und das ist eigentlich gar kein bester Fall, sondern eher so der Worst Case. Die mahnende Post löst denn auch weniger Schuldgefühle aus, als vielmehr den Gedanken: „Mist, ich wurde erwischt!“

In letzter Zeit kam die Idee auf, die Buße in der evangelischen Kirche wieder stark zu machen. Es ist ja nicht so, dass die Buße in der evangelischen Kirche jemals abgeschafft worden wäre. Sie wurde nur eher – sagen wir versteckt. Die Theologen sagen natürlich, dass ein entscheidender Unterschied zwischen evangelisch-lutherischer Kirche und katholischer Kirche der sei, dass die Buße in ersterer, nämlich der evangelisch-lutherischen Kirche, kein Sakrament ist, in letzterer, dagegen schon. „Sakrament“ ist aber nun, wenn wir mal ehrlich sind, ein noch unalltäglicher Begriff als Sünde oder Buße. Und deswegen spricht man vom „Sakrament“ meist gar nicht und kehrt es damit als Erklärung ganz unter den Teppich.

Warum soll nun also Buße wieder Thema sein? Man könnte natürlich sagen, weil Buße nie aufgehört hat, Thema zu sein. Genauso wenig wie das Thema Schuld und Sünde. Nur weil die Begriffe antiquiert sind oder man ungute Assoziationen hat, heißt das nicht, dass die Sache hinter den Begriffen nicht mehr erlebt werden könnte. Und das Erleben ist eben dann doch häufig kein angenehm Prickelndes, sondern ein knirschend Zermürbendes. Deshalb kann Theologie Buße auch nicht ohne den Gedanken der Befreiung denken.

Und die Sünde? Der Theologieprofessor Klaus Huizing hat ein Buch geschrieben mit dem plakativen Titel „Schluss mit Sünde!“. Das Buch wird fast so kontrovers diskutiert wie die Sünde selbst – zumindest in den Sünden-Fachkreisen, die thematisch um die Sünde kreisen. Da wird dann viel über Sünde geredet und gesagt, die Rede von Sünde sei schwierig. Man solle es besser lassen.

Ich behaupte: Nicht die Rede von Sünde ist schwierig, sondern die missbräuchliche Rede von Sünde ist schwierig. Warum haben so viele Menschen Probleme mit der Rede von Sünde? Klar will keiner gerne auf Fehlverhalten angesprochen werden. Ich behaupte aber: Die Probleme mit der Rede von Sünde haben sie deshalb, weil sie eine instrumentalisierte Rede von Sünde erlebt haben. Wenn mir etwa in meiner Kindheit immer erzählt wurde, dieses Handeln sei Sünde und jenes an mir sei schlecht, dann kann ich mich natürlich davon emanzipieren und ein freies Leben führen. Ich kann aber auch irgendwann ein völlig zerbrochenes Selbstbild haben. Oder ich kann einen Hass gegen diejenigen aufbauen, die mir diesen – nun als menschenverachtenden Unsinn eingeschätzten – Inhalt eingetrichtert haben. Und dann stampfe ich mit dem Fuß auf und rufe mit rot anlaufendem Kopf: „Schluss mit Sünde!“

Sünde ist menschlich. Schuldig wird jeder. Wichtig ist, dass und wie damit umgegangen wird. Hilfreich ist es, Anlaufstellen zu haben, an denen über Schuld geredet werden kann. Gerade, weil selbst schuld eigentlich keiner sein will, sehnt man sich nach der Befreiung von ihr. Noch wichtiger ist es aber, dass diese Anlaufstellen – egal ob es sich dabei um Freunde, um Justiz- oder Kirchenvertreter handelt – dass diese Anlaufstellen völlig unabhängig von eigennütziger Einflussnahme bleiben. Denn das eigentlich schwierige an der Rede von Sünde ist ihre Verknüpfung mit Interessen anderer. Das eigentlich Schwierige ist, wenn Sünde ins Feld geführt wird, um Macht auszuüben.

sophie in Gesellschaft am 01.02.2019 um 19.48 Uhr

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