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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Der Mensch, das angewiesene Wesen


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

Stelle ich die Frage nach dem Wesen des Menschen, bekomme ich ein vielfältiges Bild von Antworten. Gemeinsam ist den meisten, dass der Mensch von außen betrachtet einen Kopf hat, einen Leib, in der Regel zwei Beine und zwei Arme. Manche dichten dem Menschen Flügel hinzu und andere teilen ihn in drei Sphären Leib, Geist, Seele. Für einige ist er das Tier, das sich selbst als Gott verehrt. Für mich ist er ein angewiesenes Geschöpf, genauso wie alle anderen Lebewesen dieser Welt.

Angewiesenheit heißt Hilfsbedürftigkeit, Ausgeliefertsein, ein Lebenkönnen nur mit Hilfe anderer. In dieser Angewiesenheit tritt das wahre Menschsein hervor. Wenn der Mensch erkennt, dass er angewiesen ist, hört er auf, sich höher zu erheben, als er ist. Der einzelne Mensch will dann nicht mehr besser sein als seine Mitmenschen. Er erniedrigt nicht mehr andere, um seinen vermeintlichen Wert herauszustellen. Für die Menschheit gesprochen, ist der angewiesene Mensch achtsam mit seiner Mitschöpfung. Er behandelt Tiere und Pflanzen mit Achtung und Demut.

Demut ist die Haltung, mit der man in die Welt schauen sollte. Hinter der Demut verbirgt sich das tiefe Wissen, dass die Welt sich auch ohne mich weiterdreht. Hinter ihr steht das Bewusstsein, dass ich eine oder einer von vielen bin, dass ich mich nicht selbst geschaffen habe und dass mein Weg in dieser Welt jederzeit auch gegen meinen Wunsch enden könnte.

Dieses Wesen des Menschen ist damit erst einmal beschrieben.

In der Regel weiß ein Mensch, dass er angewiesenes Geschöpf ist. Über Jahrtausende zeigte sich diese Angewiesenheit aus dem alltäglichen Leben. Gleichzeitig fand sie ihren Ausdruck im alltäglichen Leben.

Der Mensch kann sich kein Wetter machen: Er ist darauf angewiesen, dass es regnet oder dass die Sonne scheint, damit er ausreichend Nahrung ernten kann. Der Mensch wird im Alter hilflos: Er ist darauf angewiesen, dass sich andere Menschen um ihn kümmern. Der Mensch kann nicht jede Krankheit heilen: Er ist darauf angewiesen, dass er wieder gesund wird.

Aus diesen Beobachtungen heraus mussten sich die Menschen organisieren. Sie leben in Gemeinschaften zusammen, teilen ihre Nahrung, pflegen ihre Alten und Kranken. Auch wenn nicht jede oder jeder Einzelne sich um die Felder und Gärten kümmern musste, die Alten beim Sterben begleiten oder den Kranken ihren Brei füttern musste: In den meisten Gemeinschaften war klar, dass man aufeinander angewiesen ist. Man ist eine Gemeinschaft in Not und Elend, aber auch im Fest und in der Freude.

Genauso selbstverständlich wie das gemeinsame menschliche Leben war den Menschen ihre Geschöpflichkeit. Sie selbst haben sich nicht geschaffen. Die Menschen haben des Lebens Anfang und Ende nicht selbst in der Hand. Dem Menschen steht ein Sein gegenüber, das die Natur überragt, ewig und mächtig, von je her bestimmend und beherrschend, größer als die Berge und ferner als die Sterne. In diesem ewigen Sein liegt alle Geschichte begründet und sind die Tage der Zukunft erzählt, noch ehe sie stattfanden. Im Ewigen findet der Mensch die Macht, die ihm in seiner Angewiesenheit beisteht, die ihm die Grenzen seines geschöpflichen Seins aufzeigt und sich gnädig zeigt, wenn Kranke gesund werden, Schwache Kraft finden und menschliche Werke trotz Widrigkeiten und Schwierigkeiten gelingen. Nicht nur seiner Mitschöpfung gegenüber zeigt sich der Mensch demütig, sondern auch vor seinem Schöpfer.

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Uli in Philosophie am 24.06.2018 um 17.39 Uhr


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