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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Versuche künstlichen Lebens treten auf der Stelle
Einen Menschen zu basteln ist einfach: zwei Arme, zwei Beine, ein Rumpf und ein Kopf mit Augen, Nase, Mund, Ohren – und fertig ist der willige Gehilfe. Oder auch nicht. Wer glaubte, aus Lehm ließe sich ein denkendes, zumindest arbeitendes Wesen erschaffen, musste schnell merken, dass der Mensch nicht nur Körper ist. Eine jüdische Erzählung aus Prag spricht vom Golem, einem solchen Lehmmenschen. Bewegung kommt in ihn, indem der Rabbi ihm einen Spruch-Zettel auf die Zunge legt. Leider scheitert das Experiment: Der Golem verbreitet Angst und Schrecken, dabei meint er es doch nur gut! Ebenso verlief es mit dem aus Leichen gebastelten Wesen von Dr. Frankenstein. Sobald der Mensch versuchte, seinesgleichen zu erschaffen, ging es schief.
Mit dem Rechnen kommt der Geist
Trotz ihrer Festlegung auf das Äußerliche, auf die Materie, vertritt die Naturwissenschaft eine Geistes-Philosophie, was menschliche „Vernunft“ betrifft. Sobald ein Gerät eine gewisse gewaltige Anzahl an Rechenvorgängen leisten könne, würde es Geist haben, auch Sprach- und Denkfähigkeit entwickeln. Diese Hoffnung an den Computer, er würde quasi von alleine künstliche Intelligenz entwickeln, entstand und verschwand fast zeitgleich mit der Hoffnung auf Leben auf dem Mars.
Rabbi Löw mit seinem Golem. Bild: Mikoláš Aleš (1852–1913)
Mit der Hoffnung schwang zugleich eine Angst mit, die in etlichen Science-Fiction-Geschichten ausgebreitet wurde und wird. Maschinen würden irgendwann so intelligent sein, dass sie die Menschen beherrschen. Beruhigend an der naturwissenschaftlichen Geist-Theorie war, dass Gefühle nicht existieren in mathematischen Formeln. Ein Roboter könne nie Gefühle wie Liebe, Schmerz, Mitleid entwickeln. Schnell nahmen die Autoren dem Menschen auch dieses Alleinstellungsmerkmal weg. Was Golem und Frankensteins Monster von Anfang an scheitern lässt – die Emotionalität – macht Maschinen in den Geschichten zu Gegenständen ethischer Überlegungen. Was denkt und fühlt wie ein Mensch, solle auch die gleichen Rechte haben wie ein Mensch.
Ein Regenwurm ist klüger
Weit der Wirklichkeit voraus läuft die Philosophie. Ethische Probleme liefert die gegenwärtige Welt mehr als genügend. Noch gibt es keine gleichen Rechte für alle Menschen. Und noch gibt es auch keine denkende Maschine, geschweige denn eine mit Gefühlen oder dem Bewusstsein ihrer Selbst.
Seit Jahrzehnten werden Computer scheinbar gescheiter. In den letzten Jahren nahm sowohl die Zahl der Rechner in Geräten als auch deren Vernetzung zu. Längst ist das „Internet der Dinge“ Wirklichkeit. Nähert sich unsere Beispielperson ihrem Haus mit dem Auto, öffnet sich das Garagentor von alleine. Ehe sie in die Einfahrt biegt, schaltet sich der Herd mit dem vorbereiteten Essen darauf an und stellt sich der Anrufbeantworter ab. Klingelt das Telefon, stellen sich Fernseher oder Musikanlage auf lautlos. Hat es zu lange nicht geregnet und sagt auch der Wetterbericht keine Änderung voraus, besprenkelt sich der Rasen selbst.
Die Vernetzung ist so kompliziert, dass einmal mitten in der Nacht der Fernseher angeht und unsere Beispielperson im Haus Stimmen hört. Wäre diese Fehlfunktion nicht auf eine falsche Programmierung zurück zu führen, könnte man den Haushaltsgeräten fast eine Rebellion unterstellen. Doch hier liegt keine Intelligenz vor. Allein ein Regenwurm sei klüger als ein Computer, heißt es. Jede Antwort, die ein Gerät einem Menschen gibt, ist ein Ablauf von Mustern, die zuvor ein Mensch erstellt hat.
Nicht programmiert
Seit Golems Zeiten haben die Menschen nicht aufgegeben, ihresgleichen als Diener zu basteln. Längst ist erforscht, wie sich ein Mensch bewegt oder wie sein Sprechen abläuft. Bis in kleinste Details hinein wurde das komplexe Wesen nachgebaut. Computer liefern das übrige hinzu, sodass man glaubt, das Geschöpf würde denken. Doch so sehr sich der Erfinder auch anstrengt, hat er eines übersehen. Menschen sind nicht programmiert, sondern sie leben.
Uli in Philosophie am 04.11.2011 um 11.33 Uhr
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