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Das Horst-Wessel-Lied: Eine unbekannte Straftat in Deutschland

Musik verjährt nicht


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

Als Deutschland unter der nationalsozialistischen Diktatur 1945 kapituliert hatte, sorgten die alliierten Besatzer für einen gesellschaftlichen Wandel. Die drei D (denazification, democratisation, demilitarisation) und „reeducation“ sollten genügen, das braune Pack weiß zu waschen. Statt umfassender Entnazifizierung wurden jedoch bald in den Westsektoren Persilscheine verteilt. Dem Nazitum wurde Abbitte getan. Verboten waren Organisationen und Symbole – die Gedanken jedoch nicht.

Verbote sollen dafür sorgen, dass die „dunkle Epoche“ in Deutschland keine Verherrlichung finden kann. Ohne starke Symbole gelingt es keinem Gedanken, weite Verbreitung zu finden. Aus diesem Grund wurde auch das symbolträchtige Grab von Rudolf Heß in Wunsiedel aufgelöst.

Zu den verbotenen Zeichen gehören nicht nur das prominente Swastika und die Sig-Rune, sondern auch die Hymnen. Nicht verboten ist die erste Strophe vom „Lied der Deutschen“. Auch wenn das gerne behauptet wird. Allein wegen der unrühmlichen Fehlinterpretation durch die Kriegspropaganda ist nicht mehr das ganze Lied die Nationalhymne. Die „Wacht am Rhein“, das deutsche Pendant zur Marseillaise, war im Kaiserreich die Hymne des Volkes. Auch im Zweiten Weltkrieg war das Kriegslied populär. Trotz unverhohlener Drohung gegen Frankreich im Text zählt es nicht als verfassungsfeindlich.

Eindeutig verboten sind die Worte und die Melodie des „Horst-Wessel-Lieds“. Dessen Klang hat eine Volkslied-ähnliche Wirkung mit einer Marsch-Dynamik und einem Hang zur Melancholie. Durch den Nazi-Liederdichter Horst Wessel erhielt die Melodie aus dem 19. Jahrhundert den Text zur SA-Hymne. Die „heldenhaften“ Straßenkämpfe gegen Bürgerliche und Sozialisten – „Rotfront und Reaktion“ – verherrlicht diese Kampfhymne. So vereinnahmte ein tendenziös-faschistischer Text eine an sich unpolitische Tonfolge.

Da seit 1945 nun Melodie und Text verboten sind, ist das Singen oder Spielen eine Straftat. Auch das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik verbietet es. Also wird das Lied weder in Schulen gelernt noch im Radio gespielt. Der Bann erstreckt sich so gründlich darüber, dass außer Namen und Text kaum jemand mehr vom Horst-Wessel-Lied weiß. Während diejenigen, denen das Lied in den Jugendjahren noch als Nazihymne begegnet ist, immer weniger und älter werden, verjährt die Musik nicht. Sie bleibt verboten, ohne, dass die Melodie noch wirkungsvoll mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird.

So kommt es zu der absurden Situation, dass bis vor wenigen Jahren die übliche Rechtssprechung Antifaschisten mit Ansteckern mit durchgestrichenen Hakenkreuzen zu hohen Strafen verurteilte. Dagegen gehen Nazis, die das Horst-Wessel-Lied in aller Öffentlichkeit pfeifen oder trällern, meist straffrei aus. Wer sollte denn Anzeige erstatten, wenn die Straftat nicht erkannt werden kann?

Uli in Musik am 27.07.2011 um 13.13 Uhr

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Kommentare

Kommentar:

Hallo Uli,

skandalös ! :D

Nein, die Tatsache, dass durchgestrichene Hakenkreuze als solche belangt werden ist mit Sicherheit sonderbar und mich wunder, dass es so eine dämliche Rechtssprechung gibt. Dass eine Melodie aber ihren Nazicharakter behalten solle, finde ich problematisch. Neo-Nazis mögen das pfeifen. Das Skandalöse ist aber doch der Neo-Nazi und nicht die Melodie. Ich denke über die Sache in einem anderen Zusammenhang nach, nämlich in Bezug auf Wagner, wo die Musik angeblich nicht vom Werkcharakter zu trennen sei, aber selbst dort bleibe ich dem Jonathan Meese Credo der Diktatur der Kunst treu. Es ist eine Melodie ...

Genau habe ich nicht verstanden, was das Ziel des Beitrags war. Vielleicht erklärst du es mir nochmal

Fibonaccie am 02.08.2011 um 00.24 Uhr.


Kommentar:

Vielleicht liegt das Ziel darin, eine Ironie in der Rechtslage aufzuzeigen? Diejenigen, die Adressat für ein Verbot sind, können für ihr Vergehen nicht belangt werden, weil die anderen, die potentiell in der Lage wären, sie anzuzeigen, das Vergehen gar nicht als solches erkennen. Wer wiederum die Straftat erkennt, pfeift höchstwahrscheinlich mit .

sophie am 05.08.2011 um 18.29 Uhr.


Kommentar:

Ein Baum fällt im Wald um. Kein hörendes Wesen ist anwesend. Erzeugt er ein Geräusch?

Eine Melodie, die verboten ist, jedoch nur von einer verschwindend geringen Minderheit der Gesellschaft erkannt wird, erfüllt keine Anforderungen als Symbol. Der Sinn des Verbotes ist m.E. nicht mehr anwesend.

Uli am 23.08.2011 um 11.16 Uhr.


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