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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Zur Tragik und Inflation eines Begriffs
Täglich steht der Begriff in mindestens einer der deutschen Tageszeitungen an prominenter Stelle. Für eine Schlagzeile scheint er immer gut herzuhalten. Die Berliner Morgenpost berichtete am 1. Februar 2011: Das linke Wohnprojekt an der Liebigstraße soll nun aufgelöst werden. Die Schlagzeile dazu: „Liebigstraße – Zwischen Angst und Solidarität“. Am 3. Februar lautete eine Schlagzeile der Neuen Rheinischen Zeitung: „Solidarität mit dem ägyptischen Volk“. Vor der ägyptischen Botschaft in Berlin demonstrierten Hunderte Ägypter und deutsche Unterstützer der Partei Die LINKE gegen den Diktator Mubarak.
„Solidarität“ gehört zweifelsohne zu den Modewörtern unserer Zeit. Und in Krisenzeiten, wie nach in- und ausländischen Naturkatastrophen und Terroranschlägen, scheint er in aller Munde. In der linken Szene, die Gewerkschaften mit eingeschlossen, scheint keine Stellungnahme mehr möglich, die nicht im Namen der Solidarität geschähe. Auf erschreckende Weise wird hier ein Begriff ins Feld geführt, der Anmut vorgibt, doch nur als leere Worthülse zurückbleibt. Der Begriff wurde durch seine inflationäre und ahistorische Verwendungsweise nahezu bis zur Unkenntlichkeit verschlissen und verstümmelt. Als Parole scheint der Begriff nur noch als bloßes Synonym für inneren Zusammenhalt, gegenseitiger Verpflichtung, sozialer (Mit-)Verantwortung oder Zusammengehörigkeitsgefühl zu taugen. Diese Wortbestimmungen wären an sich nicht abzulehnen –, doch bleibt der Solidaritätsbegriff nur solange nicht Suggestion, als ihm ein Erfahrungsboden unterstellt wird, der gemeinsam geteilt werden kann und sich zudem als tragfähig erweist.
Der Begriff „Solidarität“ stammt aus der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts und formierte sich dort als gesellschaftspolitischer Kampfbegriff. Er artikulierte den aktiven Widerstand gegen die herrschenden Machtverhältnisse, die als Unterdrückung wahrgenommen wurden. Ihm lag die Leidenserfahrung von massenhafter Verelendung und permanenter Ausbeutung zugrunde. Bauern wurden von ihrem Land vertrieben, um in Fabriken – ohne jegliche Arbeitsrechte – gesundheitlich und materiell mit ihren Familien in den Ruin getrieben zu werden. Die von den Arbeitern geteilte Erfahrung war die einer erbarmungslosen Diktatur der Maschinen und ihren Lenkern. Im Solidaritätsbegriff bündelte sich das überlebensnotwendige Anliegen dieser Arbeiter, sich für einen Widerstand zusammenzuschließen. Ihre gemeinsame Basis war die sozial geteilte Erfahrung. Von dieser Erfahrungsgrundlage aus hat die Karriere der „Solidarität“ begonnen. Sie erwies sich zu dieser Zeit als politisch überaus erfolgreich. Die Arbeiterbewegung erkämpfte unter großen Repressalien sukzessive ihre Forderungen nach einer menschenwürdigen Behandlung. Es folgten sozialpolitische Maßnahmen, die zum Aufbau eines Sozialstaates führen sollten.
T.Urban in Gesellschaft am 03.02.2011 um 07.58 Uhr
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Meinst Du damit, dass Solidarität sich füllen lässt als Bereitschaftserklärung zum gemeinsamen Wasauchimmer - also sich einfach als zum Anderen ideell zugehörig zu bezeichnen?
Uli am 04.02.2011 um 16.25 Uhr.