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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Warum sich im Weltnetz kein finanzieller Gewinn erzielen lässt
Geldsysteme haben den Vorteil, dass ich für meine Leistungen ein Mittel erhalte, das ich gegen Leistungen eintauschen kann, die ich selbst nicht vollbringen kann. Wenn ich beispielsweise die Fähigkeit habe, gute Texte zu schreiben, aber zu ungeschickt bin, mein Brot selbst zu backen oder die Zeit dazu nicht habe, dann kann ich diese Fähigkeiten tauschen. Weil aber der Bäcker nicht unbedingt meine Texte lesen will, funktioniert das nur, wenn ich ein Mittel habe, das der Bäcker gegen sein Brot tauscht. Dieses Mittel namens Geld läuft zwischen ganz Vielen herum; der Vorgang ist dann der allseits bekannte Währungskreislauf.
Zu dem Kreislauf und dem anerkannten Wert des Tauschmittels gehört als Voraussetzung, dass jeder den Wert des Mittels anerkennt. Aber nicht nur das. Es gibt eine Übereinstimmung dahinzielend, dass jeder Mensch generell mindestens eine Fähigkeit hat, sich auf ehrliche Weise das Mittel, das Geld, zu organisieren. Jeder Mensch könne arbeiten und Dinge oder Leistungen erbringen, die einen gewissen Wert auch für andere besitzen. In unserem Währungssystem kann man für fast alles Andere finden, die bereit sind, ihr Geld dafür zu zahlen. Das Spektrum reicht von Extremen wie Selbstverkauf (Modeln, Berufsprominenz, Prostitution) oder entspannten Tätigkeiten (Beratertätigkeit, Supermarkt-Security, gewisse Performance-Kunst) zum Produzieren von Produkten der Unterhaltung oder lebensdienlicher Erzeugnisse. Gemeinsam ist allen, dass Menschen ihre Zeit und ihre Fähigkeiten aufbringen, um anderen Menschen hinterher Gegenwerte für das Geld übergeben zu können. Präsenz durch Werbung und Images sind auch Werte, die bezahlt werden können.
Theoretisch müsste das System mit allen Bereichen und Erfindungen der Gesellschaft wachsen können. Der Buchdruck wird erfunden. Ein Ding, materiell so viel Wert wie das Papier und die Tinte darin, erhält auf einmal einen höheren Wert, weil nicht nur die Zeit des Papierschöpfens und Setzens zu bezahlen ist, sondern auch die Zeit und die Kreativität des Autors. Das brauchte mitunter seine Zeit, bis sich diese Vorstellung durchsetzen konnte. Kopiergeräte sorgen gegenwärtig für einen Rückschritt bei dieser Wertauffassung.
Ein Fernseher wird erfunden. Die Menschen können auf dem Gerät Programme empfangen. Der Wert für die Menschen ist Unterhaltung. Der Gegensatz zum bekannten Modell, dem Buch, das einmalig gekauft wird und so dem Autor seine Kreativität bezahlt wird, ist groß. Kaufe ich einen Fernseher, habe ich ein technisches Gerät, das ein Anderer mit seinen technischen Fähigkeiten zum Programmempfang gebaut hat. Geld hat der, der die Programme sendet, damit noch nicht. Also zahle ich Steuern oder Rundfunkgebühren an den, der mir den Inhalt zum Empfangsgerät immer wieder neu erstellt.
Ist es nun mit der „jüngsten“ Erfindung, dem Internet, dasselbe? Ein Kunde erwirbt das Empfangsgerät, bezahlt damit den technisch Versierten. Dann bezahlt ein Kunde regelmäßig Geld an den, der ihm die Inhalte des Netzes überträgt. Verglichen mit dem Fernseher ist hier die doppelte Zahlstruktur identisch. Das Verständnis ist nur ein anderes. Nicht für die Programme zahle ich meine Internet-Gebühr, sondern alleine für das Senden der Programme. Würde ich über meine Internet-Leitung Fernsehprogramme empfangen wollen, müsste ich –theoretisch– dem Erzeuger der Fernsehprogramme Geld bezahlen.
Im Internet hat aber keiner Lust, für irgendetwas Geld zu zahlen. Warum?
Die Antwort liegt in der Masse und der Qualität. Im Internet ist die Konkurrenz der Anbieter im Grunde unbegrenzt. Jeder kann theoretisch alles, was sendbar ist, anbieten. Und das geschieht dann auch tatsächlich so. Was bei Büchern durch die hohen Produktionskosten für eine hohe Qualität verhindert wurde – für ein Buch brauchte es einen Verlag, der die technischen Voraussetzungen zum Buchdruck hatte –, beim Fernsehen durch ein begrenztes und kontrolliertes Netz erschwert wurde – Senden darf man nur mit staatlicher Erlaubnis –, das schlägt beim Computer, wo Empfangs- und Sendegerät identisch sind, nicht mehr „zu Buche“.
Jeder kann jetzt Texte schreiben, seine Brotrezepte veröffentlichen, seine Filmchen drehen, schneiden und auf Videoplattformen veröffentlichen. Will ich ein Sonnenblumenbrot backen, dann habe ich kostenlose Rezepte von Hobbybäckern im Angebot. Will ich eine finanzwirtliche Stellungnahme, kann ich kostenlos einen Hobbyfinanzwirt oder einen hauptberuflichen solchen im Ruhestand im Forum fragen. Oder einfacher, ich lese die Antworten auf Fragen von Menschen mit selben Problemen. Kurzum: Was in der realen Geldwirtschaft nur begrenzt möglich war, nämlich der kostenlose Tausch von Waren oder Leistungen, die Nachbarschaftshilfe, ist dank der beliebigen Erreichbarkeit und der Reproduzierbarkeit im Internet die Grundlage des Systems. Freilich begrenzt die Beschaffenheit als digitales Angebot nach wie vor den freien Warenaustausch. Mit hauptberuflichen Leistungen im Netz ist jedenfalls kein Geld zu verdienen, wenn die Leistungen nicht unverzichtbar und unverwechselbar sind.
An diesen zwei letzten „un-“ scheitert auch die letzte digitale Möglichkeit des Broterwerbs. Sobald nämlich einer eine Leistung entdeckt hat, mit der er im Netz Geld verdient, ziehen Tausende nach, diese Möglichkeit ebenso auszuschöpfen. Weil die dann aber generell noch Investoren im Nacken sitzen haben, die bereit sind, die Quelle richtig gewaltig zu erschließen, versiegt nach und nach der Goldrausch.
Angebote im Netz sind daher keine Frage des Geldes, sondern eine Frage der Geduld, der Zeit und der Qualität.
Weil ich hier weder Brot noch Kleidung unmittelbar beziehen kann, stellt sich die anderweitige Frage, von welcher Beschaffenheit die Netz-Güter überhaupt sind...
Uli in Medien am 14.07.2010 um 21.34 Uhr
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