Zur Startseite Eck.Dose

Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

Der Blog des Goldseelchen-Verlags

Unfertiger Essay über eine unbekannte Größe

Das unbekannte Nächste


Bild: Uli
 (© Eckdose)

Seite 3 von 3

Sobald ich mich mit meinem Standpunkt in den Bereich des Nächsten begebe, kann ich das unbekannte Nächste kennen lernen. Dann aber wandert der Kreis, der das Nächste eingrenzt, mit mir. Das, was ich zuvor als Nächstes bezeichnet habe, ist nun das mir Bekannte. Es ist nicht mehr der nächste Bereich, sondern es liegt näher als nahe. Indem ich mich zum Nächsten begeben habe, mache ich mir das Nächste zu eigen. Das Nächste kennen zu lernen, ist eine Grenzwanderung. Im stetigen Schwanken zwischen Eigenheit und Entfernung, zwischen voller Kenntnis und Desinteresse bewegt sie sich.

In der Zeit, die nur eine Richtung vorgibt, ist diese Grenzwanderung zählbar und messbar. Der Augenblick, der als nächster auf diesen Augenblick folgt, ist schon dann nicht mehr der nächstfolgende, wenn er eintrifft. Mit jedem Ticken des Sekundenzeigers wird die unbekannte nächste Sekunde zur Wirklichkeit. Mit jedem Ticken des Sekundenzeigers wird aus meiner Zeit erinnerbare Vergangenheit. Es ist unmöglich, das Nächste zu erreichen. Warte ich den nächsten Augenblick ab, hat er sich schon verwandelt. Er ist nicht mehr das Nächste, sondern er ist gegenwärtig.

Übertrage ich diese Zeit-Gedanken auf das unbekannte Nächste meiner Raum-Umgebung, komme ich genauso in ein Rennen ohne Ziel. Man versuche einmal, den nächsten Raum zu betreten! Die Türe des nächsten Raumes ist in Sichtweite. Ich stehe auf, öffne die Türe und trete herein. Sobald ich mich umsehe, wird mir klar: ich bin nicht im nächsten Raum. Denn das Zimmer, in dem ich nun stehe, ist nun mein Raum. Irgendwie habe ich beim Raumwechsel etwas falsch gemacht. Vielleicht hätte ich meinen Standpunkt nicht mitnehmen dürfen. Denn nun ist das Zimmer, von dem aus ich den nächsten Raum betreten wollte, das vorherige Zimmer. Ohne zeitliche Blickwinkel ist es für mich gegenwärtig der nächste Raum.

Nur mit Gedankenspiel komme ich ins Nächste. Wie ich überlegen kann, wie denn ein Telefon-Gespräch mit Tante Gerda verlaufen würde, so kann ich überlegen, wie der nächste Raum beschaffen ist. Sicherheit kann ich aber nie erreichen; nicht einmal, wenn die Türe offen steht. Vom nächsten Raum würde ich nur einen Ausschnitt kennen. So, wie ich vom Telefonat nur eine Idee hätte. Sobald man das Nächste kennt, hat es aufgehört, das Nächste zu sein.

Artikel-Seite:
123

Uli in Philosophie am 30.05.2010 um 16.52 Uhr

Werkzeuge:  |  

Auch ansehen:

Kommentar verfassen

 

Damit wir auch wissen, dass Du ein Mensch bist, musst Du unten in das Feld „Sicherheits-Code“ bitte noch die Buchstaben oder Zahlen aus dem Bild links abtippen.

Die Felder mit * sind verpflichtend.

Datenschutz-Hinweis: Alle Daten, die in dieses Formular eingetragen werden, können auf dieser Seite als Einträge angezeigt werden. Zusätzlich werden IP-Adresse und Zeitpunkt der Übermittlung in einer Datenbank gespeichert, um im Falle strafrechtlich relevanter Eintragungen die Herkunft nachweisen zu können.