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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

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Michael Lentz versucht sich in Lyrik. Goethe würde das „Offene Unruh“ bereiten.

„Meine Ruh ist hin“


Urheber*in: Warburg
 (Creative Commons)

Groß wirbt die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Feuilleton am Freitag, 26. Februar. Eine ganze Seite voll mit einem Lobgesang auf das Buch „Offene Unruh“ mit 100 Liebes-Texten von Michael Lentz. Das Buch habe das Zeug zum „Volksbuch“, schreibt Autorin Felicitas von Lovenberg, selbsterklärte Liebesforscherin. Lyrik nennen sich die Schriftstücke und werden als Massenware in ihrer Qualität gewiss nicht gesteigert.

Ein gutes Dutzend Leseproben druckt die FAZ auf der Lentz-Seite. Gelesen ergeben sich Versatzstücke von Gedanken in Alltagssprache. Der Lyrik ähnelt das Setzen der Worte in untereinander liegenden Zeilen. Rhythmus fehlt, Struktur ist auch nicht die Eigenheit der Stücke. Denn Struktur entsteht nicht durch konsequente Kleinschreibung und Weglassen von Satzzeichen.

Irgendwo dreht es sich um Liebe, Liebe spricht aber nicht aus den Worten. Es ist eine harte Wahl der Ausdrücke. Hin und wieder findet sich, beinahe absichtlich unpassend, ein antiquiertes Wort. Verflachte Sprache der Postmoderne fügt sich nicht zu manirierten Ausdrücken wie dem „altrigen brunnen“. Wenn von „rauschende[n] zweige[n]“, die „zwinkern mir nicht zu“ die Rede ist, wird zwar Lentz’ Literaturkenntnis – die auch im gesamten Text des Lovenberg’schen Lobgesangs auftaucht – deutlich, nicht aber sein Talent als Lyriker. Der alte Goethe fühlete sich missverstanden und würde sich ob dieser Gretchentragödie ohne Gretchen gleich „3“ Mal umdrehen. - Zahlen schreibt man ja als Lyriker numerisch. Bei manchen richtigen Dichtern wirkt das sogar passend.

Was hermetisch anmutet, wird auch bei zweiter Betrachtung nicht besser. Ein Satz, der „dich beobachtet“, ist peinlich. Worte werden nicht dichter, indem sie wiederholt attributiert werden: „alles ist äußerlich und das äußerliche ist schön“. Würde Lentz Dorlamm heißen, könnte man diesbezüglich mit Robert Gernhardt sagen: „Dorlamm irrt. Doch formulieren kann er.

Unter faz.net/lentz hat die Zeitung Filme seines Vortragens hochgeladen. Sprechen kann der Mann. Aber er spricht keine Lyrik, so sehr er sich auch mit Größen der Vergangenheit vergleichen mag.

Uli und sophie in Literatur am 28.02.2010 um 10.05 Uhr

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Kommentare

Kommentar:

Also ich habe diesen Artikel bewusst übersprungen... der Lyrik-Hype-Wust war mir zuviel. Und dann auch noch Liebeslyrik-Hype-Wust... bäh.

Aber warum das nicht als Lyrik gelten soll?
Ich zitiere nur kurz Morgensterns "Fisches Nachtgesang", das wohl "tiefste deutsche Gedicht" und lasse es mal als Antithese einfach so stehen

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DAS ist doch mal Lyrik...

Bosso am 02.03.2010 um 16.22 Uhr.


Kommentar:

Kannst Du mir bei Gelegenheit die phonetischen Ausspracheregeln vermitteln? Dann nehme ich das Gedicht auf meine nächste Lyrik-CD auf.

Uli am 02.03.2010 um 22.05 Uhr.


Kommentar:

Das dürfte sich so ähnlich anhören wie 4'33'' von John Cage

Aber selbst wenn eine anständige phonetische Transkription möglich wäre, macht das allein nicht immer Sinn... Die Trichter von Morgenstern machen auch fast nur durch die visuelle Komponente Spaß

Bosso am 03.03.2010 um 00.57 Uhr.


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