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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
für Tagfalter und Nachtdenker

Der Blog des Goldseelchen-Verlags

... endet an der des Anderen


Bild: Uli
 (© Eckdose)

Es geht um Freiheit. Freiheit ist das höchste Gut einer freien Gesellschaft. Freiheit ist auch das, was vielen Menschen Leben lebenswert erscheinen lässt. Ohne Freiheit könnte ich nicht so leben, wie ich lebe. Mit Freiheit kann ich nahezu das tun, was ich möchte. Essen, wohnen, schlafen, lesen, schreiben, sagen, hören, sehen und denken. Auch lieben, das ist ein Teil der Freiheit. In Tansania fasste der junge Reiseführer Gottfried vom Stamm der Chagga die Vorzüge der Europäer in wenige Worte. Knapp, aber treffend: „You can marry with love“ - „Ihr dürft, ihr könnt aus Liebe heiraten.“

Unser Grundgesetz schlägt uns in zwanzig Artikeln das, was zu schützen ist, um die Ohren. Vieles überschneidet sich dabei. Schnell wird uns klar: Die eigene Freiheit endet an der des Anderen. Wenn ich tun möchte, was ich will, Du zugleich auch tun möchtest, was Du willst, haben wir vielleicht ein Problem. Ich möchte gerne in Deinem Bett schlafen, weil ich müde bin. Du willst Dich da aber mit den fünf Kumpels niederlassen, um eine Soap zu sehen. Also muss ich gehen, denn meine Freiheit ist hier begrenzt.

Noch einfacher lässt sich das Wollen und Können zur Formel formen. Wenn einer etwas will, das einen anderen unmittelbar und unausweichlich betrifft, ist es Sache von beiden. Was wer wie dann wann und wo machen darf, ist generell geregelt. Wir haben so Begriffe wie „Eigentum“, „Besitz“, „Verpflichtung“ oder „Moral“ dafür. Moral ist die Übereinkunft einer Gruppe, die sich viele Lebensbereiche teilt. In einer Moral ist, zum Teil schriftlich, zum Teil mündlich, festgelegt, was sittlich ist und was nicht. Kurz: Moral sagt, wo Freiheit aufhört. Schriftliche Moral nennt sich bei uns „Recht“, muss dann aber nicht immer mit dem Moralempfinden und der mündlichen Moral übereinstimmen.

Unserer Presse, unseren Medien, hat unsere Gesellschaft in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts die größtmögliche Freiheit zugestanden. Eine Freiheit, die das Recht auf Information der Bevölkerung garantieren sollte. Man wollte nicht noch einmal, dass der Staat das Wissen lenkt. Man wollte, dass Information frei zugänglich sei und auch frei verbreitet würde. Das klappt so lange, bis Menschen darunter leiden.

Noch hockt keine Krähe des Gesetzes

über den langen Antennen der Medien.

Noch immer gibt es kein Gesetz, das die Medien tatsächlich im Zaum hält. Nur dort, wo Rechte sich überschneiden, wo die Grenzen der Freiheit sind, da kann die Justiz sich einmischen. Wenn jemand ein Foto druckt, dass Dich nackt am Strand zeigt, zum Beispiel. Dann weiß jeder, dass Dein Busen zu klein ist und Du immer nur alles ausstopfst. Oder jeder sieht, wie schwabbelig Dein Hintern ist. Du findest das entwürdigend. Der Rest findet das entweder geil – oder witzig. Du kannst hinterher nicht Dein Gesicht zeigen, ohne dass die Leute beim Anblick Deines Busens grinsen. Peinlich?

Ja, nicht nur das. Mit solch einem Fall ist die Intimsphäre verletzt. Die existiert für die Presse moralisch wie auch gesetzlich. Denn der Verstoß ist eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts. Hier hört die Freiheit rechtlich und rechtens auf.

Der Zweck der Pressefreiheit ist keine Narrenfreiheit. Der Zweck der Pressefreiheit ist die Gedanken- und Informationsfreiheit. Es ist Information, wenn ich schreibe, dass in Winnenden ein ehemaliger Schüler einen Amoklauf durchgeführt hat. Genauso Information ist es noch, zu schreiben, wie viele Menschen starben. Information wäre es vielleicht noch mitzuteilen, welche Waffen er verwendet hat. Aber musst Du denn wissen, wie die Opfer aussahen? Würde es Dir helfen, wenn Deine Tochter gestern starb und Du heute in der Zeitung ein –geklautes– Foto von ihr erblicken würdest?

Das ist noch relativ harmlos. Genauso wie die Methode, minuziös die einzelnen Schandtaten des Täters aufzulisten. Es übersteigt schon das, was Information ist und dient letztlich der Befriedigung niederer Instinkte. „Geil“, ein realer Thriller. Das Blut in den Adern pocht. Wo ist da bitte noch die Freiheit, wenn Schülern durch die andauernde Berichterstattung Panik gemacht wird? Wo ist der Informationsgehalt, wenn Nachahmungstäter und Möchtegerne Drohungen versenden? Für drei Wochen Arsch und Held der Nation sein? Jeder kennt Deinen Namen und Deine Biographie? „Geil“, dafür möchte man doch gerne sterben... !?

Ich finde, dass die Medien ihre uneingeschränkte Freiheit zu sehr ausgenutzt haben. Es sind nicht die Waffen, die aus Freiheit töten. Es sind auch nicht die Menschen, die von sich aus die Idee und genaue Planung eines Amoklaufes entwerfen. Es sind die perversen Überspitzungen, Übertreibungen und Überaufmerksamkeiten, die Fälle wie den aktuellen so falsch ausgehen lassen. Wir brauchen keine Bilder von Erschossenen. Wir brauchen keine Zeichnungen vom Tatort zum Tatzeitpunkt in Farbe.

Wir brauchen Freiheit, um ohne Angst leben zu können.

Die Medien scheinen uns diese Freiheit nicht gönnen zu wollen. Warum gönnen wir sie den Medien?

Uli in MAT: Polis am 18.03.2009 um 00.35 Uhr

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Kommentare

Kommentar:

Auch schlimm: Mutmaßungen der Reporter trotz wenig Ahnung.

Bosso am 18.03.2009 um 13.49 Uhr.


Kommentar:

auwe... noch viel schlimmer:
die deutsche mentalität - wenn man das so nennen kann -.-

manu am 18.03.2009 um 18.20 Uhr.


Kommentar:

Ich würde die Mentalität dabei nicht mal auf ’schland beschränken

Bosso am 18.03.2009 um 19.48 Uhr.


Kommentar:

welten die jeder einzelne von uns erschuf..erschaffen wird...wären wir immer mit allem zufrieden würden wir noch ums feuer tanzen..jagen und jede frau wäre eine gute mutter und köchin...vielleicht wären wir dann auch schon längst ausgestorben.. "es gibt keine größere macht als die veränderung" nichts lässt sich auf dauer stoppen, nichtmal das starre eis aus dem das leben stammt...und spart euch den kommentar dass es dann wohl auch kein feuer gäbe...oder das wir noch in einer ursuppe schwimmen würden...sowas würde mich nur unzufrieden machen..:wein:

matyes am 18.03.2009 um 20.55 Uhr.


Kommentar:

und wäre ich nun nicht unzufrieden über das doch geschriebene kommentar...würde ich hier auch nicht noch ein kommentar reinschreiben

matyes am 19.03.2009 um 11.21 Uhr.


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