Dieser Netzauftritt verwendet Sitzungs-Cookies
Näheres erfahren Sie in der Datenschutzerklärung.
Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Am Dienstag finden an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Hochschulwahlen statt. Die Studenten dürfen einen Tag lang in bestimmten Wahllokalen seitenlange Stimmzettel ausfüllen. Das Ergebnis nennt sich „Hochschulparlament“ und ist ein Gremium aus Studierendenvertretern, das die Studentenschaft von 24 000 Köpfen einer Übermacht aus Professoren gegenüber vertritt. Zu sagen hat dieses Parlament recht wenig. Vielleicht gerade die Funktion der beratenden Meinungsäußerung. Schlussendlich aber kann da die Universitätsleitung auch nichts dafür, diese hängt am Staatssäckel und stimmt Entscheidungen von „oben“ meistens zu. Passieren tut also nur das, was die bayerische Landesregierung möchte.
Dennoch sollen die Studenten wählen gehen. Es gibt einen großen Wahlkampf dazu. Seit Wochenbeginn, also acht Tage vor der Wahl, liefern sich die „Parteien“ eine intensiver werdende Plakat-Schlacht. Für manche Gruppen ist es durchaus interessant, stark in dem doch irgendwie vorhandenen und daher stellvertretendem Ausschuss vertreten zu sein. Nichts desto trotz sind die stärksten und verbissensten Wahlkämpfer die mit den flachsten Aussagen. Die „FSIen-Liste“, eine Vereinigung der Fachschaftsinitiativen, also der universitäteren SMVen, könnte man sagen, wirbt unter Anderem in ihrem Programm mit dem „Wir-sind-die-FAU-Gefühl“. Das ist schön. Wollte ich mich doch schon immer wie eine strukturschwache, mittellose, unbeliebte süddeutsche Universität fühlen, deren Fakultäten gerade erst von elf auf fünf gekürzt wurden. So macht man Wahlkampf, liebe Großparteien. Lasst die Menschen sich identifizieren, und sie werden euch vielleicht wählen.
Vielleicht. Mir jedenfalls erscheint dieser Spruch doch etwas primitiv und erinnert mich vage an eine ältere Werbekampagne.
Moment – die Großparteien müssen sich gar nichts abschauen. Die mischen doch selbst schon mit! Fast jeder Riese hat unter den politisch engagierten angehenden Akademikern seine Studentenorganisation gegründet. So gibt es die „Grüne Hochschul-Gruppe“, die mit Namen und Logo sich gar nicht verstecken mag und ganz klar sagt, wes Geistes Kind sie sei. Sie steht daher auch für ein ähnlich kreatives Programm, wie es die Bündnisgrünen vertreten: „Hirn einschalten – GHG wählen“. Optimal, da fühle ich mich als unmündiger, hirnausgeschalteter und theologiestudierender Jüngling mit Stimmberechtigung doch glatt angesprochen.
Nee, eigentlich nicht. Wer mir sagt, ich solle erst mein „Hirn einschalten“, der beleidigt mich jetzt im Augenblick. Gerade von euch, liebe Soft-Sozis, wäre m.E. mehr zu erwarten gewesen.
Und wo bleiben die anderen? Soeben wollte ich nach einem grün-schwarzen Plakat Ausschau halten, um die Studi-Gruppe der Christsozialen zu finden. Aber dort ist nichts Grün-Schwarzes, außer die kopierten Listenwerbungen der FSIen. Statt dessen sind alle Wände, auch die „Plakatieren verboten“-Mauern, von roten Postern beklebt. Rot! Die Farbe des bösen Kommunismus! Die Farbe von SPD und Linkspartei. Von Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, Marx, Engels, Stalin, Lenin und, ja, von Fidel und Che. Und, tatsächlich, überall ist dort dieses beliebte T-Shirt-Motiv. Eine Frisur, die diese Bezeichnung nicht verdient hat, liegt unter einem Barett, schwarzer Schattenriss auf rotem Hintergrund. Bist Du’s, Linke?
Aber warum ist da nur das Gesicht ausgespart. Wieso steht dort Text. Näher trete ich und lese eine Liste mit allseits bekannten und berechtigten Vorwürfen gegen Ernesto Guevara. Deswegen steht da auch als Spruch: „Ciao Guevara! Schau der Wahrheit ins Gesicht!“ Wer kann so etwas wollen? Erwartet da eine Gruppe Aufmerksamkeit? Das scheint ihr gelungen zu sein. Also blicke ich zum Fuß des Posters und sehe die Abkürzung „RCDS“ und das „Motto“ „ProjektZukunft“. Wer das wohl sein mag?
Nichtssagend, wie die Ablehnung des linken Terroristen ohne Aufzeigung von Alternativen, ist das Motto und das Parteikürzel. Hinter dem „S“ vermutete ich anfangs noch „Sozialisten“ oder ähnliches. Doch schlagartig wird mir klar, wes Geistes Kind vor mir klebt. „RCDS“ ist der „Ring Christlich-Demokratischer Studenten“. Die ganz scharfen Parteigänger von Schäuble, Beckstein, Söder und Huber sind auch an der Hochschule vertreten. Und offenbar schämen sie sich ihrer politischen Zuordnung. Weder zu dem „C“ noch zum „D“ scheinen sie zu stehen, wollen mit CDU und CSU wohl nichts zu tun haben. Na dann, versteckt euch mal hinter inhaltsleerem Gewäsch und werbt mit „beliebten Motiven“ eurer Feindbilder! Wo wart denn ihr Christdemokraten, als seinerzeit das Land entdemokratisiert wurde? Warum tretet ihr ein für Studiengebühren? Wie werdet ihr es schaffen, der bayerischen CSU-Übermacht die Diktate zu unseren Gunsten umzudrehen?
Positives Programm legte ein Unbekannter der stark konservativ anzusiedelnden Gruppe in den Mund. Ihm stank es, dass diese sich der Symbole der linken Extreme bediente. So klebte er Ausdrucke „RCDS fordert: BILD-Abo für alle!“ über die Plakate. Schade. Humor verstehen sie nicht. Weder dieses, noch die „Stopp! Wählt Jesus!“-Zettel blieben lange hängen. So ganz treu hinter dem christlichen Ursprung scheint auch der Studentenflügel der Christdemokraten nicht zu stehen.
Uli in MAT: Polis am 20.06.2008 um 08.53 Uhr
Werkzeuge: |
hm, scheint ja ein bundesweites phänomen zu sein... zumindest wird auch hier fleißig Wahlwerbung betrieben, wobei ich zugeben muss mich noch nicht allzu sehr mit den Bestrebungen der einzelnen Gruppen befasst zu haben...
Hann0r am 20.06.2008 um 10.16 Uhr.
Ich hab jetzt (brief)gewählt... ich glaub ich habe gut gewählt... und jetzt sehe ich mich auch dazu berechtigt mich aufzuregen, wenn mir an der Uni was gegen den Strich geht
Bosso am 20.06.2008 um 11.10 Uhr.
omg...
leute... *seufz*
ich liebe dschland..
manu am 20.06.2008 um 14.13 Uhr.