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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Alle Jahre wieder befindet sich das kleine romantische Städtchen Rothenburg für ein Wochenende im August im Ausnahmezustand, wenn nicht nur wie gewohnt die Japaner massenweise die Stadt überfluten, sondern täglich über 10 000 Festivalbesucher ins liebliche Taubertal pilgern um beim Open-Air dabei zu sein.
So auch dieses Jahr geschehen mit einem neuen Konzept für das Konzertgelände: auf zwei gegenüberliegenden Bühnen auf einem zusammenhängenden Gelände kann sich der Konzertbesucher das breitgefächerte musikalische Programm zu Gemüte führen und völlig stressfrei von Bühne zu Bühne pendeln um praktisch pausenlos Musik zu Ohren zu bekommen. Und was man da alles zu hören bekommt! Ein bunter zusammengewürfeltes Programm, was die verschiedensten Musikrichtungen betrifft, gibt es sonst eher selten zu bestaunen: von Pop über Alternative zu Reggae bis hin zum Punkrock ist einfach alles vertreten und so dürfte jeder ganz nach seiner Faon glücklich werden. Eine neue große Leinwand neben der Hauptbühne, auf die live das momentane Musikprogramm übertragen wird, und das, was das Taubertal einzigartig macht, der Berg, ein mehr oder weniger steil ansteigender Hang, sorgen dafür, dass selbst der kleinste Konzertbesucher noch einen guten Blick auf die Hauptbühne hat und garantiert das Geschehen „on Stage“ mitverfolgen kann.
Eine weitere besondere Eigenart des Taubertal scheint ja außerdem die Anziehungskraft zu sein, die es auf schlechtes Wetter ausübt. Wobei selbst ständige Regenfälle noch lange nicht das Ende für das Festival bedeuten müssen, ganz im Gegenteil: der durchschnittliche Taubertal-Besucher lässt sich von solchen widrigen Umständen nicht weiter stören und genießt eher noch den ganz eigenen Charme eines solch feucht-fröhlich-schlammigen Events. Wo sonst wird man es noch mal erleben dürfen schon bei der Ankunft von netten Bauern mit ihren Traktoren begrüßt und sofort auf den nächsten Acker abgeschleppt zu werden, damit sich gar nicht erst die Möglichkeit bieten kann völlig im Schlamm zu versinken? Mit der richtigen Ausrüstung, sprich Regencape, Gummistiefel und wasserdichtes Zelt, ist es auf alle Fälle überhaupt kein Problem dem Wetter zu trotzen und selbst wenn man nicht passend ausgestattet sein sollte: aus Mülltüten lässt sich wirklich alles zaubern oder man gibt sich einfach ganz den Naturbedingungen hin, frei nach dem Motto „was dich nicht umbringt, macht dich nur stärker“.
Musikalisch gestartet wird am Freitag auf der etwas kleineren Sounds-for- nature-Bühne, auf der das Finale des internationalen Newcomer-Wettbewerbs Emergenza ausgetragen wird. Die erste und auch gleichzeitig schon wieder die letzte Programmänderung des gesamten Festivals bringt die Gruppe „Fiddler`s Green“, die irischen Folk mit Rock vermischen auf die Hauptbühne, während „Sunrise Avenue“ aus Finnland, die wahrscheinlich mittlerweile jeder aus dem Radio kennt, wegen Krankheit absagen mussten. Das Publikum scheint es weniger zu stören, was mit Sicherheit an der guten Laune liegt, die die Combo aus Deutschland mitbringt und so werden sie gleich mit tanzfreudigen Zuschauern bzw. Zuhörern belohnt. Am Abend eröffnet dann „Daniel Benjamin“ mit seiner Band das offizielle Programm auf der Sounds-for-nature-Bühne. Kaum erklingen die ersten Töne der eher leisen melodischen Musik des Stuttgarters, hört es auf zu regnen und langsam tasten sich die ersten Leute unter den gut zum Unterstellen geeigneten Getränkeständen hervor bis an den Bühnenrand um seiner Stimme zu lauschen. Dumm nur, dass die Texte dem Zuhörer durch das leichte Murmeln und Nuscheln des Sängers ganz und gar verborgen bleiben. Abgelöst wird er dann vom straighten Alternative Rock der vier Jungs aus South Carolina (USA) von „The Films“, deren schnelle und energiegeladenen Songs, das Publikum in Bewegung bringt. Eine gewisse Ähnlichkeit, die Musik betreffend zu Mando Diao lässt sich wohl nicht leugnen, genauso wie eine gewisse Ähnlichkeit der Songs untereinander. Das Bad in der Menge lässt sich der nur gerade noch ausreichend bekleidete Frontmann der Band natürlich nicht entgehen. That`s Rock`n`Roll! Schließlich ertönen auf der Hauptbühne die souligen Stimmen der Backgroundsängerinnen von keinem geringeren als einem der Headliner des Festivals: „Gentlemen“. Ganz in weiß gekleidet, unterstützt von seiner Band und einigen Bläsern hüpft der Reggae-Mann der ersten Stunde vom einen Ende der Bühne zum Anderen und man merkt, dass der Funke vom ersten Moment an aufs gesamte Tal überspringt. Mit diesem Auftritt endet der erste Festivaltag ganz lässig und beschwingt, fast so als wäre man auf Jamaika im Sonnenschein und nicht im Taubertal im Regen.
Doch auch der zweite Festivaltag lässt was gute Musik betrifft nicht lange auf sich warten. Für eine Stunde gehört „Juli“ die Hauptbühne, vor der sich auch schon am Nachmittag einige Fans einfinden. Der sehr sympathische Auftritt lässt das Publikum im Tal nicht nur im Matsch baden, sondern gleichzeitig auch in den melancholischen Klängen ihrer wunderbar unkomplizierten Musik schwimmen. Der Höhepunkt und das Ende ist erreicht als sich die ganze Menge von der perfekten Welle tragen lässt und den Rat befolgt am besten gar nicht nachzudenken. Etwas später dann auf der Newcomer-Bühne präsentieren sich die französischen Vertreter des Emergenza-Wettbewerbs. Sie nennen sich „Le Tete Ailleurs“ und machen ihrem Namen mit ihrem ganz eigenen Sound, der durch das Akkordeon doch sehr an Frankreich erinnert, alle Ehre. Entzückend vor allem der Song „Je t`aime mon amour“, der einen an Zirkusmusik denken lässt und eher weniger an ein Liebeslied, und der nett gemeinte Versuch das ganze ins Deutsche zu übersetzten: „Isch liebe disch mein Lieber“! Schade nur, dass der Regen wieder mal einsetzt und die meisten das Ganze nur aus einiger, aber dafür trockener Entfernung begutachten. Zurück auf der Hauptbühne begegnet dem Taubertal-Besucher die fünfköpfige deutsche Band „Madsen“, die man schon fast als Familienbetrieb bezeichnen könnte, da sie zu drei von fünf Teilen aus Geschwistern besteht. Es lässt sich auf jeden Fall feststellen, dass da ein enormes musikalisches Talent in der Familie liegt, da sie mit ihrer geradlinigen Gitarrenmusik, versehen mit wunderbar eingängigen Melodien, überzeugen. In Verbindung mit den originellen und treffenden deutschen Texten sind Ohrwürmer garantiert, die direkt zum mitsingen verpflichten. Wehren ist zwecklos! Da kann selbst der immer noch andauernde Regen nichts daran ändern! Es folgt die schwedische Rockband „Mando Diao“, die dem Taubertal ihren zweiten Besuch abstatten und sich wieder mal gekonnt in Szene setzen. Die fünf Vollblutmusiker tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden am Ende ganz unspektakulär wieder. Dazwischen rocken sie das Tal mit ihrem Sound, den sie selbst in den höchsten Tönen loben, und man sollte meinen, dass jetzt wirklich niemand mehr ganz unberührt einfach so still halten kann, was für den Hörerteil mit gutem Musikgeschmack durchaus zutrifft. Aber erstaunlicherweise lässt der Rest der Menge die Mando-Diao-Klänge mehr oder weniger begeistert über sich ergehen (obwohl kein Regen!), sei es, weil die übliche Frage von der Bühne aus ins Publikum nach der Konzentration des Alkohols im Blut auf Seiten der Festivalbesucher ausbleibt oder weil man den Schweden eben doch anmerkt, dass bei gewisser Routine die Leidenschaft ein bisschen verloren geht. Zu schade, wobei ein Konzert von „Mando Diao“ niemals ein ganz und gar schlechtes Erlebnis sein kann. Zur Krönung des Tages nehmen die „Beatsteaks“ aus Berlin das Taubertal komplett für sich ein und erreichen das was ihre Vorgänger nicht geschafft haben: das Tal bebt und man hat das Gefühl nicht nur „Jane became insane“! Kein Wunder bei der Energie und Spielfreude, die die Fünf ganz offensichtlich auf der Bühne haben. Mit ihrer absolut tanzbaren und mitreisenden Musik kommen sie total lässig und frech, aber dennoch sympathisch und ganz bestimmt nie langweilig rüber. Die Berliner lassen sich dann auch kein zweites mal darum bitten noch eine Zugabe zu spielen und noch eine und noch eine und noch eine....
Am letzten Festivaltag werden die Emergenza-Sieger gekürt und mit einem weiteren Auftritt belohnt. Es gewinnen drei Gruppierungen aus den USA, was die Frage in den Raum stellt, ob es da so ganz mit rechten Dingen zugeht, wobei so ein Ergebnis natürlich auch dafür spricht, dass eben die Besten gewinnen und nicht unbedingt drei Bands mit unterschiedlichen Nationalitäten oder Stilrichtungen. Auf alle Fälle verdient gewonnen, wie sich nach dem Anhören herausstellt haben die „Fire Flies“ mit einer sehr abwechslungsreichen Gitarrenmusik, die sich sonst nur eher schlecht einordnen lässt. Eine andere Theorie ist: sie haben nur wegen ihrer schicken Krawatten gesiegt! Dagegen spricht wiederum, dass die Zweitplatzierten „The New Hotness“ aus Kalifornien in ihrer Aufmachung als die neue Hippie-Generation mit langen Haaren bzw. Lockenmähne und weißen Schlaghosen (es sei erwähnt: Das sind alles männliche Wesen!) ganz ironisch gemeint ihrem Namen irgendwie entsprachen und deswegen viel eher hätten siegen müssen. Kaum beginnen sie zu spielen ist aber dann auch ihr Sieg leicht zu erklären. Es macht nicht nur Spaß sie zu betrachten, nein, sondern auch ihnen zu zuhören. Als weiterer Gewinner darf „Dixie Duncan“ noch mal seine Gitarre und seine Stimmbänder bemühen. Erstaunlich was ein Mann alleine so alles mit einer Gitarre anstellen kann: er zupft und fingert nur so, mit linker sowie rechter Hand, von oben und unten, auf seinem Griffbrett herum, dass man sich fragen muss warum nicht mehr Gitarristen auf die Idee kommen die konventionelle Art eine Gitarre zu halten aufzugeben.
Als nächstes reihen sich die schwedischen „Shout out Louds“ in die Riege der beim Taubertal musizierenden ein. Gekonnt demonstrieren sie ihr können mit ihrer Musik, die man als melodischen Folk-Punk bezeichnen könnte, wenn man wollte, während sich ein reichliches und interessiertes Publikum vor dem Schauplatz ihrer Bemühungen einfindet. Obwohl man durchaus anmerken muss, dass man sich vom Namen der Band etwas mehr energische Laute erhofft, wird um Zugabe gebeten, schlecht nur das diese nicht kommt. Währenddessen hat es sich „Mika“ auf der Hauptbühne bequem gemacht und trällert seine Stimmungsmacher vor sich hin. Der Platz vor der Bühne ist voll, wobei nicht ganz klar ist, ob diese Tatsache „Mika“ zu zuschreiben ist oder der sehnlichst erwarteten „Pink“. Ihn scheint es nicht zu kümmern und spätestens als er „relax, take it easy“ anstimmt, hat er die Menge auf seiner Seite, der es bei strahlendem Sonnenschein wirklich leicht fällt genau das zu tun. Sein auftritt endet als halber Kindergeburtstag, denn große Luftballons schweben über den köpfen der Festivalbesucher und sämtliche tanzende Stofftierchen belagern die Bühne, wem es gefällt?
Die Geschmäcker sind eben verschieden. Für meinen Geschmack war es jedenfalls ein gelungenes Festivalwochenende.
idda in MAT: Events am 18.08.2007 um 12.18 Uhr
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