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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
Wenn Inschriften verwirren
Ein Spaziergang im dicht bebauten Großstadtmilieu kann durch Straßenschluchten führen. Ewig graue Häuserblöcke bieten gelegentlich gleiche Aussichten. Abwechslung bringen zahlreiche Parke und Friedhöfe. Letztere sind besonders sommers den Parken vorzuziehen, da das Grillen und Herumflacken dort verboten ist. Ein Eingangsschild macht den Ort der ewigen Ruhe auch zum Ort der innerweltlichen Ruhe. Danke, Friedhofsverwaltung.
Kolumbarien nennen sich die Hallen, in denen regalweise in Urnen die Asche Verstorbener aufbewahrt wird. Normalsterbliche erhalten bei beengtem Raum einen Platz in einer Nische und dürfen so ihren hinterbliebenen Angehörigen den notwendigen Ort des Gedenkens bieten. Zur Not auch in zwei Meter Höhe. Menschen, die berühmt waren, oder Menschen, deren Hinterbliebene an etwas wie ewiges Gedenken gedacht hatten, sind im Tod nicht ganz so anonym.
Die scheinbar Wichtigen stehen vor den Kolumbarien. Besser gesagt: Ihre Urnen und Gedenktafeln stehen mit Grabmälern vor den Kolumbarien. Was wirklich in den steinernen Fußballpokalen sich befindet, weiß nur die Friedhofsverwaltung.
Die Geschichte von etwa hundert Jahren lässt sich so lesen. Meistens ist nachvollziehbar, welche Dipl.-Ings in Ostafrika beim Eisenbahnbau sich verdient gemacht haben. Manchmal lesen sich erschreckende Schicksale oder unverstehbare Geltungssucht. Selten, ganz selten, stellen einem die Verstorbenen Rätsel, die es verdienen, gelöst zu werden. In diesem Fall sind es aber nicht die Verstorbenen, sondern ist es die (?) Hinterbliebene, die fragen lässt.
„Hier ruht die Asche meines geliebten Mannes Karl Grunze (3.2.1870 - 21.7.1921). Mein inniggeliebter Mann Paul Köbe (4.6.1886 - 15.6.1936)“
Wer denn nun? Was denn nun? Ist das Grunze? Oder Köbe? Oder beide? Oder ist Köbe Grunze? Wer hat die Inschrift veranlasst? Köbe für Grunze und posthum dann Grunze für Köbe? Muss man Grunze kennen, um zu wissen, dass er eine reiche Witwe hinterlassen hat, die dann endlich den Mann, den sie innig liebte, Köbe, heiraten zu können, der aber nicht so reich, dafür geliebter war? Und verarmt wie sie dann war, hat sie den nur geliebten Grunze herausgeschmissen, um Platz für Köbe zu machen - nur für eine neue Inschrift fehlte dann das Geld? Das Grabmal immerhin wurde 1921 geschaffen.
Wir wissen nicht mehr. Und werden es nie erfahren. Ewige Ruhe bedeutet schließlich auch ewiges Schweigen. Spazieren wir weiter...
Uli in Gesellschaft am 30.09.2010 um 09.35 Uhr
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