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Der Blog des Goldseelchen-Verlags
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Gedanken anlässlich eines Gedenktags

Einheit


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

Der dritte Oktober ist einer der wenigen Tage, an denen wir einen Feiertag haben und der Anlass zum Feiern kein kirchliches Fest ist. Wir feiern die Einheit. Genau genommen feiern wir natürlich die deutsche Einheit – abgesehen davon, dass die allermeisten Deutschen wohl eher überhaupt nicht feiern, sondern sich an einem freien Herbsttag freuen.

Auch wenn der 3. Oktober also einer der wenigen Nicht-Kirchen-Feiertage ist, ist der Gedanke der Einheit gar nicht so unreligiös oder gar unphilosophisch.

Jesus betet zum Beispiel in Johannes 17,21 darum, dass alle eins seien. Auch in mystischen Strömungen ging es immer um das Eine, ob nun im fernöstlichen Taoismus, im jüdischen Chassidismus oder eben auch in der christlichen, deutschen Mystik.

Einheit ist aber gar nicht so einfach. Wäre sie selbstverständlich, müsste man ihr Zustandekommen ja auch nicht feiern. Die Erfahrung zeigt vielmehr, dass die Verschiedenen sich in ihrer Verschiedenheit ganz wohl fühlen und sie auch nicht zugunsten eines gemeinsamen Nenners aufgeben wollen. Meistens haben sie Angst, dabei ihr Eigenes, ihre Identität, zu verlieren. Das kann man auf politischer Ebene erleben oder bei Diskussionen, in denen man persönlich involviert ist oder auch im religiösen bzw. philosophischen Bereich. Nirgendwo möchte man sich selbst verlieren.

Nun ist eine strikte Alternative zwischen Individualität der Verschiedenen einerseits und Gleichmacherei in der Einheit andererseits keineswegs der einzig denkbare Weg.

Um das aufzuzeigen, ist es hilfreich, sich den Terminus „Einheit“ genauer anzuschauen. In der Begriffsgeschichte fällt zuallererst auf, dass das Wort „Einheit“ überhaupt ein Terminus ist, den erst die Philosophie des 17. und 18. Jahrhunderts propagiert hat. Der Verweis zur Philosophie liegt also nicht nur nahe, sondern ist sogar ursprünglich. In der Alltagssprache hat sich das Wort „Einheit“ dann im 19. Jh. nun gerade nicht wie in heute antreffbarer Missdeutung als gleichmachendes Eines durchgesetzt. Stattdessen war die Verbundenheit der Vielen gemeint.

Noch weiter geht ein sehr ähnlicher deutscher Begriff, nämlich der der Einigkeit. Wir benutzen ihn kaum noch, kennen ihn aber meist im melodischen „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Über die bloße Einheit als die Verbundenheit der Verschiedenen hinaus zielt die Einigkeit auf die innere Gesinnung. Einigkeit meint, dass die Verschiedenen eines Sinnes sind – und durchaus nicht ihre Individualität verlieren müssen, wenn sie Selbes im Sinn haben. Ganz ähnlich in der Bedeutung ist dann auch die „Eintracht“, meint aber schon die Folge der Einigkeit. „Eintracht“ verweist begrifflich auf die Vertragssprache. Wer sich einig ist, der schließt – meistens eher unausgesprochen als geschrieben – einen Vertrag untereinander. Als Folge stellt sich die Eintracht ein. Die Verschiedenen kommen gut miteinander aus.

Wer also Einheit feiert, der freut sich nicht, dass er plötzlich im Alleinen aufgeht und selbst gar nicht mehr vorhanden ist, sondern der weiß sich mit anderen zusammen auf dem Weg. Wenn sich auch noch Einigkeit dazugesellt, dann weiß er sich sogar mit anderen zusammen auf einem gemeinsamen Weg.

Mit solch einer Voraussetzung kann man nicht nur Politik treiben, sondern auch verstehen, wieso Jesus darum beten kann, dass wir alle eins sein sollen. Das meint keineswegs, dass wir uns selbst verlieren, geschweige denn, dass wir alle Gott sein sollen. Das meint, dass wir gemeinsam auf dem Weg sind und unsere Herzen und Sinne dabei auf Gott richten, der uns alle eint.

sophie in Philosophie am 03.10.2018 um 11.12 Uhr

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