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Berlinfestival streicht die Nacht aus dem Programm

Die Panik vor der Panik


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Bild: Uli
 (© Eckdose)

Berlinfestival 2010. Zwei Tage lang sollte eine überdimensionierte Fete auf dem Tempelhofer Flughafengelände steigen. Der Anschluss an die Berliner Musikwoche und die Musikmesse Popkomm geben ein fließendes Gesamtprogramm. Am Tag zuvor versuchten die letzten, noch Karten zu erhalten. Das Gelände ist voll, ausverkauft, heißt es. Besonders nach der Loveparade in Duisburg wird Panik vor der Panik geschoben. Ein geheimes Motto: „Bloß nicht zu viele Menschen!“

Voller Panik, so lässt die Festival-Seite annehmen, war am Freitag in der Nacht der Einlass abgebrochen und die nächtliche Feier beendet worden. Erst um zehn Uhr am Samstag ging der Betrieb weiter. Um 2.30 Uhr nachts hatten die Sicherheitskräfte „Staus“ in der „Schneise“ bei den „Schleusen“ bemerkt. Das Duisburg-Syndrom breitete sich aus. Menschenmassen, die vor drei Monaten noch berechenbar gewesen wären, sind plötzlich, seit Juli, unkontrollierbar.

Die Reaktion war sicherlich nicht überzogen. Lieber einen kontrollierten Abgang als einen unkontrollierten Eingang. Die Schuld erhalten die Besucher mit ihrem Verhalten. Um die Panik der Veranstalter vor der Panik zu verhindern, wurde für Samstag das Nachtprogramm gleich ganz gestrichen. Sperrstunde um 23 Uhr. Bald herrschen in Berlin wieder preußisch-saubere Verhältnisse.

Bestimmt war es ja die Nacht, die das Gedränge und den Stau in der Schlange verursacht hat. Was zu diesem Fehlschluss geführt hat, bleibt schleierhaft. So könnte es mit dem geänderten Ende am Samstag erneut zu Gedränge und Panik kommen. Wer um zehn Uhr sich dem Gelände nähert und erfährt, dass um elf Uhr das Programm bereits endet, wird sich mit gewisser Angst, den Schluss zu verpassen, in die Schlange reihen. Vielleicht wird er auch etwas drängeln. Das Unglück auf der Loveparade entstand unter anderem durch die Furcht, die Schlusskundgebung zu verpassen.

Besser wäre ein Konzept, dass das Problem als solches angeht. Menschen, die Einlass in einen ihnen unbekannten Raum erhalten, bleiben stehen, um sich zu orientieren. Steigt jemand aus der Bahn an einem fremden Bahnhof aus, muss er zumindest sein Ziel irgendwo lesen können. Im Weitergehen finden sich Wegweiser jedoch schlecht. Gelangt eine Menschenmenge auf ein unübersichtliches Festivalgelände, muss sie sich erst verteilen. Das gelingt jedoch nur, wenn klar ist, wo sich was befindet. Am besten vorher. Noch besser wäre es, die Menschen wüssten gleich dazu, wo sie zunächst sein möchten.

Im Stadion gibt es keine Panik mehr. Es gibt auch kein Gedränge und Gequetsche, weil nach dem Einlass selten Massen stehen bleiben. Theater und Opern kennen das Konzept der Platzanweiser. Warum wird das nicht auch bei Massenveranstaltungen angewandt? Mit dem Ticket wird dem Besucher ein bestimmter Anfangsbereich zugewiesen. Über verschiedene Eingangswege und kurze Strecken gelangt der Besucher zu seinem Ort, an dem er ankommen darf. Erst dann ist er endgültig da, erst dann darf er stehenbleiben und sich orientieren, darf er sein Bändchen für alle Eintritte erhalten.

Konzepte wie beschallende Lastwagen, die die Menschenmassen mit auf ein Gelände ziehen, gehen nicht auf. Menschen benötigen ihren festen zugewiesenen Platz. Im Stadion, in der Gesellschaft und auch bei Massenveranstaltungen.

Uli in Musik am 11.09.2010 um 19.55 Uhr

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